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Rude Boys in Cowboy-Klamotten

Mit einem Rhythmus, der sich ziemlich genau in der Mitte von bekifften Offbeats und Hochgeschwindigkeitsräuschen befindet, und jenseits von modischem Crossover repräsentiert der „NYC Ska Mob“ heute nacht im Pfefferberg die heimliche Hauptstadt des Ska  ■ Von Thomas Winkler

Drei Jahre ist es her, da fragte die altehrwürdige New York Times, was denn bitte der „Sound of New York“ sei. Und ob man das nun glaubt oder nicht, sie kam zu dem Schluß: „Ska. Ska? Yes, Ska.“ Der großväterliche Offbeat sei wohl „die einzige musikalische Untergrundbewegung, die New York für sich reklamieren könne“.

Diese wahrlich umwerfende Erkenntnis ist allerdings noch nicht allzu weit über die Stadtgrenzen hinaus gelangt. In die Charts gerät Ska, wenn kalifornische Sonnenscheinchen wie Smash Mouth oder Überflieger wie No Doubt eine eingängige Melodie erfolgreich totreiten. Ansonsten versammeln sich Alt- und Neo-Punks bei den Mighty Mighty Bosstones aus Boston. Auch die ungezogenen, aber geschichts- und rootsbewußten, aus Berkeley stammenden Rotzpunks von Rancid haben zuletzt eine reine Ska-Platte veröffentlicht.

Die New Yorker Szene statt dessen hat vor allem lokale Bedeutung, was daran liegen mag, daß sie musikalisch eher traditionell ausgerichtet ist. Viel hat diese Szene den Toasters zu verdanken. Die haben in den 15 Jahren ihrer Existenz auch Zeiten erlebt, in denen Ska nur von seiner eingeschworenen Gemeinde aus Rude Boys und Skinheads zur Kenntnis genommen wurde. Deren Gitarrist Rob Hingley leitet denn auch das branchenbeherrschende amerikanische Label Moon Ska Records, wo neben der eigenen Kapelle auch Marktführer wie die Busters, Laurel Aitkin oder Dr. Ring Ding&the Senior Allstars herauskommen.

Parallel zur gemütlichen weltweiten Wiederauferstehung des Ska in den letzten Jahren hat sich in New York City eine vitale Szene entwickelt, die zwar selten die gerade modischen Crossovers bedient, aber doch die gesamte im Ska denkbare Stilbreite abdeckt. Vom New York Ska-Jazz Ensemble, das dem Offbeat reichlich Bebop und Swing angedeihen läßt, bis zu den elektronischen Versuchen von World Service.

So etwas wie die Supergroup des New York Ska sind die Stubborn Allstars, die Headliner dieser „NYC Ska Mob“-Tour. Die Kombination aus Mitgliedern solcher Bands wie Toasters, Skinnerbox, Slackers und Insteps wird noch gekrönt von dem originalen Tenorsaxophonisten der noch viel originaleren Skatalites, einer jener Bands der legendären ersten Welle des Ska, die das Genre von Jamaika nach England brachte.

Die Stubborn Allstars mögen schon mal unpassend in Cowboyhüten und Holzfällerhemden posieren, sie besingen trotzdem tapfer die „Rude Boys“ und spielen einen Ska, der sich in seiner Gemächlichkeit eindeutig an den jamaikanischen Vorbildern vom Ende der 60er orientiert, als das Ganze noch Rock Steady hieß. Damals wurde noch nicht genug gekifft, daß der Offbeat schon zum Reggae verlangsamt worden wäre, aber auch die Geschwindigkeitsräusche der Two-Tone-Zeit waren noch nicht abzusehen.

Statt dessen hängt der Rhythmus ziemlich genau in der Mitte, eben genau dort, wo er auslöst, was Jeff Baker alias King Django, Sänger und Posaunist der Allstars, so beschreibt: „Ska ist die einzige Musik, die mich ohne Nachdenken zum Tanzen bringt.“ Vor allem die Bläsersätze, immer noch das entscheidende Qualitätsmerkmal des Genres, sind bei den Allstars je nach Anforderung ebenso zackig wie einfühlsam.

Früher einmal hat Django bei der Punkband Murphys Law gespielt, inzwischen steht er hauptberuflich Skinnerbox vor, die einen wesentlich flotteren, mithin vielleicht moderneren Umgang mit dem Ska pflegen. Genau der allerdings hat ihn dazu getrieben, die Stubborn Allstars ins Leben zu rufen. Aus dem Studioprojekt, der einmaligen Rückbesinnung auf die Wurzeln des Ska wurde dann schnell eine richtige Band.

Den „Ska Mob“ komplett macht Rocker T, dessen verhallter Sound so eindeutig im Dancehall verortet ist, daß es streng genommen gar kein Ska ist. Schließlich ist der Mann sonst Vorsteher der Reggae-Combo Skadanks und im Gegensatz zu den meisten Skastern gläubiger Rasta. Im Mittelpunkt seines Toasting steht denn auch nicht selten das heilige Kraut. Dessen Wirkstoffe dürften so oder so dem Abend eine gemeinsame Klammer geben.

„NYC Ska Mob“ mit Stubborn Allstars, Skinnerbox und Rocker T. Special guest: Butlers.

Heute ab 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

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