: Zypern verzichtet auf russische Raketen
Die umstrittenen S-300 sollen nach massivem internationalem Druck auf der griechischen Insel Kreta gelagert werden ■ Von Klaus Hillenbrand
Berlin (taz) – Die Republik Zypern verzichtet aufgrund des massiven internationalen Drucks auf die geplante Stationierung russischer Flugabwehrraketen. Statt dessen sollen die umstrittenen S-300 nun auf Kreta oder einer anderen griechischen Insel gelagert werden. Präsident Glavcos Clerides gab diese lange erwartete Entscheidung am Dienstag abend nach einer Sitzung des Nationalrats in Nikosia bekannt.
„Mit dieser Entscheidung habe ich die Position der griechischen Regierung besonders beachtet“, sagte der konservative Clerides. Besonders Griechenland hatte zuletzt neben der Europäischen Union und den USA auf einen Verzicht auf die Raketen gedrängt. Clerides war erst am Dienstag mittag von einem Treffen mit Ministerpräsident Kostas Simitis in Athen zurückgekehrt.
Griechenland und Zypern sind seit 1993 durch einen militärischen Beistandspakt verbunden. Noch bis zum Dienstag hatte der zypriotische Präsident offiziell an einer Stationierung der rund 700 Millionen Mark teuren Raketen festgehalten. Deren Transport nach Zypern war zuletzt wegen des massiven diplomatischen Drucks immer wieder aufgeschoben worden.
In der EU, mit der Zypern seit November offizielle Beitrittsgespräche führt, waren Stimmen gegen eine Mitgliedschaft der Mittelmeerinsel laut geworden, solange die dortigen Spannungen weiter eskalierten. Die Türkei, die seit 1974 rund ein Drittel Zyperns militärisch kontrolliert, hatte für den Fall der Stationierung mit Luftangriffen auf Zypern gedroht und damit Befürchtungen eines militärischen Konflikts mit Griechenland ausgelöst.
Den USA war besonders die geplante fünfmonatige Bedienung der Raketen durch russisches Personal ein Dorn im Auge. Damit, so befürchtete man in Washington, hätte Moskau die gesamte Region um das östliche Mittelmeer kontrollieren können.
Die EU und die USA begrüßten den Schritt Clerides'. „Die Beitrittsperspektive hat Zypern offenkundig motiviert, einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität der Region zu leisten“, lobte der österreichische Außenminister und amtierende Ratspräsident Wolfgang Schüssel. Der Verzicht habe einen gefährlichen politischen Spannungsherd auf Zypern sowie in der gesamten Region beseitigt. Großbritanniens Außenminister Robin Cook erklärte, die Entscheidung trage dazu bei, die Bedingungen für „eine gerechte und friedliche Lösung des Zypernproblems“ zu schaffen. In Ankara nannte Außenminister Ismail Cem den Verzicht auf die S-300 einen Sieg der türkischen Diplomatie.
Unter den griechischen Zyprioten ist der Verzicht auf die S-300 heftig umstritten. Der Nationalrat, in dem alle Parteien vertreten sind, konnte sich am Dienstag nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Clerides erklärte, er übernehme persönlich die Verantwortung für die nun getroffene Entscheidung.
Durch den Verzicht ist das Fortbestehen der Regierungskoalition zwischen der konservativen „Demokratischen Sammlung“ und der links- nationalistischen EDEK-Partei in Gefahr. Während Clerides' Demokratische Sammlung den Präsidenten stützt, sprach EDEK-Parteichef Vassos Lyssarides von einer „politischen Niederlage“. Die postkommunistische Akel-Partei warf Clerides vor, die Raketenfrage als billigen Wahlkampftrick mißbraucht zu haben. Allerdings hatte sich im Februar auch der gescheiterte Präsidentschaftskandidat der Akel vehement für die Aufrüstung ausgesprochen.
Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen