: Rot-grünes Stühlerücken
■ Das neue Jahr könnte Berlin einen rot-grünen Senat bescheren. Welche PolitikerInnen dürfen mit einem Karrieresprung rechnen? Wer hat sich warmgelaufen, wer liegt schon gut im Rennen?
Vom neuen Jahr erwarten 71 Prozent der BerlinerInnen einen Regierungswechsel. Wie eine Forsa- Umfrage ergab, wünscht sich jeder Zweite einen SPD-geführten Senat. Vor Weihnachten hatten 51 Prozent der Befragten ein Bündnis von SPD und Grünen favorisiert. Wie könnte ein rot-grüner Senat nach der Wahl im Oktober 1999 aussehen? Ein Szenario:
Längst warmgelaufen haben sich die beiden Fraktionschefinnen der Bündnisgrünen, Renate Künast und Michaele Schreyer. Beiden werden gute Chancen auf ein Senatorenamt eingeräumt. Beide werden aber auch für den Posten der grünen EU-Kommissarin gehandelt, der 1999 zu besetzen ist. Über Schreyer heißt es bei den Grünen: „Die könnte sich in jedes Ressort schnell einarbeiten.“
In Berlin wäre die Rechtsexpertin Renate Künast für das Justizressort prädestiniert. Sie könnte Ehrhart Körting ablösen. Körting, der ursprünglich nur bis 1999 Senator bleiben wollte, will sich um ein Abgeordnetenhausmandat bewerben. Doch inzwischen kann er sich auch vorstellen, ein anderes Senatsressort zu übernehmen. Etwa Schule, Jugend und Sport. Der Posten wird vakant, da Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) aus dem Senat ausscheiden wird.
Wegen der Verkleinerung des Senats werden der Regierung nur noch acht statt bisher zehn SenatorInnen angehören. Drei davon beanspruchen im Fall einer rot-grünen Regierung die Grünen. Zwei davon sollen Frauen sein. Der oder die Dritte soll aus dem Ostteil der Stadt kommen. Das spricht für die bündnisgrüne Arbeitsmarktexpertin Sibyll Klotz. Ob sie Chancen auf das Arbeitsressort hat, hängt davon ab, wie gut sich Senatsneuling Gabriele Schöttler (SPD) in dem Amt behaupten kann.
Interesse an einem Senatsposten haben auch die frühere Bildungssenatorin Sybille Volkholz und Ida Schillen (beide Grüne) signalisiert. Als Stadtplanerin reizt Schillen das Ressort Stadtentwicklung, doch hätte sie in Amtsinhaber Peter Strieder (SPD) einen ernstzunehmenden Konkurrenten. Als eher unwahrscheinlich gilt, daß Wolfgang Wieland, die graue Eminenz der Grünen, Innensenator wird. Dieses Schlüsselressort dürfte die SPD kaum aus der Hand geben, wenngleich die Genossen derzeit keinen Kandidaten für das Amt aufbieten können. Hier wäre erneut eine Importlösung denkbar.
Als feste Größen auf SPD-Seite gelten Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing und Stadtentwicklungssenator Peter Strieder. Die jüngsten Versuche der Finanzsenatorin, sich wirtschaftspolitisch zu profilieren, lassen vermuten, daß sie sich auch ein Ressort Finanzen und Wirtschaft vorstellen kann. Doch ist ein solches Mega- Ressort wenig wahrscheinlich.
Auf die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) wäre das derzeit CDU-geführte Ressort Soziales und Gesundheit zugeschnitten. Der frühere Bundestagsabgeordnete Thomas Krüger darf hoffen, CDU-Mann Radunski als Kultursenator zu beerben. Und SPD-Fraktionsvize Hermann Borghorst hätte sicher nichts dagegen, Wirtschaftssenator zu werden.
Welche Ressorts zusammengelegt werden, wird die neue Regierung aushandeln. Möglich sind mehrere Varianten. Doch nicht alles, was sinnvoll ist, läßt sich auch politisch durchsetzen. So wäre es denkbar, die Arbeitsverwaltung mit der Wirtschaftsverwaltung zusammenzulegen und das Frauenressort der Justizverwaltung zuzuordnen. Doch die Trennung des Ressorts Arbeit und Frauen haben die SPD-Frauen erst kürzlich durch massiven Protest verhindert. Denkbar wäre auch ein Senator für Verkehr, Bauen, Umwelt und Stadtentwicklung. Doch um dem grünen Koalitionspartner entgegenzukommen, könnte das Umweltressort als eigenständiges erhalten bleiben. Die Ressortzusammenlegung hängt nicht zuletzt von der Zusammensetzung der Koalition ab. Falls es zum vierten Mal in Folge eine große Koalition gibt, sieht ohnehin alles ganz anders aus. Dorothee Winden
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