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Deutschland jetzt Chef in der EU

■ Die rot-grüne Regierung hat durch die Europäische Ratspräsidentschaft seit dem 1. Januar 1999 drei Probleme mehr: Neuordnung der EU-Finanzen, Beschäftigungspakt und Osterweiterung

Bonn (rtz/taz) – Deutschland hat zum Jahreswechsel die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union (EU) und den Vorsitz in der Gruppe der sieben großen Industrienationen (G 7) übernommen. Auf die rot-grüne Bundesregierung kommen damit nur zwei Monate nach ihrem Amtsantritt schwierige Aufgaben zu. Die 15 EU-Staaten streiten darüber, wie die Beiträge in die Brüsseler Gemeinschaftskasse gerechter aufgeteilt und die überbordenden Agrarausgaben verringert werden können. Und die G-7-Länder sind sich zwar einig, daß sie gegen übermäßiges „Spekulantentum“ an den Börsen vorgehen wollen, ein gemeinsames Konzept dafür haben sie aber nicht. Ungeklärt ist auch ihr Verhältnis zu Rußland.

Ein schwieriger Balanceakt für die Bundesregierung dürfte vor allem die EU-Ratspräsidentschaft werden, denn die Fronten im Streit um die Gemeinschaftsfinanzen liegen gegenwärtig noch weit auseinander. Da dem Ratspräsidenten bei solchen Unstimmigkeiten traditionell die Vermittlerrolle zukommt, wird es Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) schwerhaben, die eigene Forderung nach einem deutlichen Abbau der deutschen EU-Zahlungen durchzusetzen. Zur Zeit überweist die Bundesrepublik im Jahr 22 Milliarden Mark mehr nach Brüssel, als sie von dort zurückerhält. Damit trägt Deutschland über die Hälfte der sogenannten EU-Nettozahlungen. Im Handelsblatt warnte Schröder vor übertriebenen Erwartungen. Niemand könne von der neuen Regierung erwarten, daß sie in wenigen Monaten ein „milliardenschweres Problem“ aus der Welt schaffen könne, daß die Regierung Kohl in 16 Jahren geschaffen habe.

Der Schlüssel für eine Neuordnung der EU-Finanzen liegt nach Meinung aller Mitglieder in der Reform der Agrarausgaben, die den Großteil des Brüsseler Haushalts auffressen. Doch damit ist auch Schluß mit der Gemeinsamkeit. Nicht einmal der vielgerühmte „deutsch-französische Motor der europäischen Einigung“ hat die Gespräche bislang vorantreiben können. Im Gegenteil: Frankreich mit seinen vielen, zu Radikalprotesten neigenden Bauern ist bislang nicht bereit, die deutschen Sparvorschläge auch nur zu diskutieren. Sie sehen vor, die EU-Ausgaben zur Subventionierung der Landwirtschaft zu begrenzen und den verbleibenden Teil über die nationalen Haushalte zu finanzieren.

Bis zum EU-Gipfel Anfang Juni in Köln soll Deutschland ein Konzept für einen europäischen Beschäftigungspakt ausarbeiten. Wie es genau aussehen soll, ist noch unklar. Bundeskanzler Schröder schrieb im Handelsblatt, Hauptziel des Paktes sei eine engere Verzahnung der nationalen Aktionspläne mit der europäischen Beschäftigungsstrategie. Dritter Schwerpunkt der deutschen Präsidentschaft wird die Fortführung der Aufnahmeverhandlungen mit den beitrittswilligen Ländern Osteuropas sein. Anders als die Regierung Kohl haben sich Schröder und Außenminister Joschka Fischer bisher strikt geweigert, den EU-Kandidaten feste Aufnahmetermine zu nennen.

Höhepunkt der deutschen Präsidentschaft ist das Treffen der Staats- und Regierungschefs am 4. und 5. Juni in Köln, bei dem unter anderem der europäische Beschäftigungspakt beschlossen werden soll.

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