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Blaubehelmte Blauäugigkeit

■ Der Abschuß eines UN-Flugzeugs stellt die Fortsetzung der Mission in Angola in Frage. Längst befindet sich das Land wieder im Krieg. Regierung und Unita-Rebellen käme ein Abzug der UNO durchaus gelegen. Von Domi

Blaubehelmte Blauäugigkeit

Kofi Annans Appell zeugte von Hilflosigkeit. „Mitarbeiter der Vereinten Nationen haben bei ihren Anstrengungen, Angola Frieden zu bringen, ihr Leben riskiert und geopfert“, erklärte der UN-Generalsekretär letzte Woche. „Der Generalsekretär erwartet, daß die verantwortlichen Führer diese Anstrengungen honorieren, indem sie die Sicherheit aller Mitarbeiter der Vereinten Nationen garantieren.“ Damit wollte Annan erreichen, daß ein UN- Team zu dem Ort in Angolas Kriegsgebiet vordringen konnte, wo am 26. Dezember ein UN- Transportflugzeug mit 14 Insassen abgeschossen worden war. Am vergangenen Samstag erhielt die UNO die Antwort: In derselben Gegend wurde ein weiteres UN- Flugzeug mit acht Menschen an Bord vom Himmel geholt.

Das Flugzeug vom Typ Hercules C-130 wurde nach Angaben des Staatsrundfunks etwa sieben Kilometer von der zentralangolanischen Stadt Huambo entfernt von Artillerie getroffen und stürzte 13 Kilometer weiter ab. Die UNO sagte, das Flugzeug sei auf der „üblichen Route“ von Huambo in die Hauptstadt Luanda unterwegs gewesen. Gestern stoppte die UNO ihre Flugoperationen in Huambo, in dessen Umgebung Kämpfe zwischen Regierungsarmee und Unita-Rebellen stattfinden, und kündigte ihren Abzug aus allen Kampfgebieten Angolas an.

Der Zwischenfall stellt die Fortsetzung der UN-Tätigkeit in Angola in Frage zu einem Zeitpunkt, wo das Land die schwersten Kriegshandlungen seit über fünf Jahren erlebt. Das Friedensabkommen von 1994, das die UNO überwachen soll, ist längst zusammenengebrochen. Angolas Bürgerkrieg ist Teil des gesamtafrikanischen Konflikts um den Kongo und seine Nachbarländer geworden. Die von Jonas Savimbi geführte Unita hat große Mengen Waffen erhalten – nach Angaben der angolanischen Regierung ist sie neuerdings mit den Rebellen des Kongo sowie deren Verbündeten Uganda und Ruanda liiert – und belagert die Städte Cuito und Huambo. Im Luftkrieg sind nicht nur UN-Flugzeuge gefährdet: Die Regierung wirft der Unita den Abschluß von zuletzt fünf Flugzeugen vor, und zu Weihnachten wurde ein Privatflieger beim Abflug aus Luanda entführt.

Die UNO ist da machtlos – und was sie sagt, ist allen Seiten egal. Nachdem am 26. Dezember der erste Verlust eines UN-Flugzeugs etwa 45 Kilometer außerhalb von Huambo gemeldet wurde, verhallten alle UN-Bitten um Zugang zum Absturzgebiet ungehört, solange der genaue Hergang des Vorgangs unklar war. Um Neujahr herum sagte sich Angolas Regierung schließlich, die Unita habe das Flugzeug vom Himmel geholt und halte die 14 Insassen als Geiseln. Dann erteilte sie der UNO die gewünschte Suchberechtigung.

Kaum jemals ist die Ohnmacht der UNO in Angola so deutlich vorgeführt worden. Das Wiederaufflammen des Bürgerkriegs hat sie nicht verhindern können, und nun ist auch die von ihr geleistete humanitäre Versorgung der Bevölkerung gefährdet. Nach dem Verlust des ersten Flugzeugs setzte das UN-Lebensmittelhilfswerk WFP alle seine Angola-Flüge aus. Die Lebensmittelvorräte in Angola werden nach UN-Schätzungen Mitte Januar ausgehen.

Kofi Annan droht nun damit, dem UN-Sicherheitsrat zum ersten Mal den kompletten Abzug der UNO aus Angola zu empfehlen. Nichts wäre vermutlich den Kriegsparteien lieber.

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