: Teilamnestie gefordert
■ Kritik an Forderung von Schorlemmer nach einer Teilamnestie von SED-Unrechtstaten
Berlin (rtr) – Der SPD-Politiker und frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ist mit seinem Vorschlag für eine weitgehende Amnestie von DDR-Unrecht auf Ablehnung gestoßen. Sowohl in der Union als auch bei ehemaligen Oppositionellen, aber auch in den eigenen Reihen stieß seine Initiative gestern auf Kritik. Nur die ebenfalls für eine Amnestie streitende PDS begrüßte den Vorstoß.
In einem Beitrag für den in Berlin erscheinenden Tagesspiegel hatte Schorlemmer angeregt, DDR-Unrecht bis auf schwere Menschenrechtsverletzungen zum 10.Jahrestag der für den friedlichen Verlauf der Wende entscheidenden Leipziger Montagsdemonstration am 9. Oktober zu amnestieren. Schorlemmer schrieb, ein Amnestiegesetz sei kein Schlußstrich unter das in der DDR begangene Unrecht, sondern ein „juristischer Verzicht zur Beförderung des inneren Friedens“. Schwere Menschenrechtsverletzungen durch das SED-Regime sollten allerdings weiterhin strafrechtlich verfolgt werden.
Der CDU-Bundesvorsitzende Wolfgang Schäuble sagte gestern in Bonn, Amnestiebestrebungen würden auf entschiedenen Widerstand der Union stoßen. „So stärkt man die demokratische Mitte in Deutschland nicht“, sagte Schäuble. Vielmehr würden solche Initiativen extremen Kräften in die Hände arbeiten. Auch in der CSU- Landesgruppe im Bundestag stieß Schorlemmer auf Ablehnung.
Die Mitbegründer der DDR- Sozialdemokraten und heutigen Bundestagsabgeordneten Markus Meckel sowie Stephan Hilsberg wiesen den Vorschlag ihres Parteifreundes Schorlemmer als unangebracht zurück. Der letzte DDR- Außenminister Meckel sagte, bis auf schwere Fälle verjähre DDR- Unrecht ohnehin am 3. Oktober 2000. Viel wichtiger als eine Amnestie für eine „Handvoll Täter“ seien jedoch Verbesserungen bei der Rehabilitierung von Opfern des SED-Unrechts. Wie Meckel verwies auch Hilsberg auf die verhältnismäßig wenigen und relativ milden Strafen für DDR-Straftäter.
Die 1996 zur CDU übergewechselte frühere SPD-Politikerin Angelika Barbe forderte, die Opfer des DDR-Unrechts besser zu stellen. Sie halte Schorlemmers Vorschlag „für einen sehr schlechten Vorgang“, sagte Barbe dem Berliner Radiosender Hundert,6. Die PDS hieß dagegen Schorlemmers Initiative gut. Der Vorschlag sei „sehr vernünftig“, sagte Parteisprecher Hanno Harnisch.
Derweil brachte der Theologieprofessor Richard Schröder, der der SPD angehört, eine Straffreiheit für Spionage ins Gespräch. Darüber könne man zehn Jahre nach dem Mauerfall noch einmal reden. Nicht aber „mit Gerechtigkeitsargumenten, sondern als Gnadenerweis“, schrieb Schröder in der heutigen Ausgabe des Tagesspiegel. Dabei sollten ehemalige Spione der DDR und der Bundesrepublik Deutschland gleich behandelt werden. Schröder kritisierte jedoch die PDS dafür, daß sie den ehemaligen Spion im Brüsseler Nato-Hauptquartier, Rainer Rupp alias Topas, beschäftigen will. Kommentar Seite 12
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