: Gespaltene Parteisoldaten in der CDU
■ Unterschriftenaktion gegen doppelte Staatsangehörigkeit wird von vielen Parteimitgliedern in Bremen kritisch betrachtet oder abgelehnt / Gegenvorschläge zu Schäuble häufen sich
Ab dem 24. Januar will CDU-Parteichef Wolfgang Schäuble seine Parteisoldaten auf die Straße schicken, um Unterschriften gegen die geplante Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft sammeln zu lassen. Daß dazu in Bremen genug Parteivolk zur Verfügung steht, davon ist der hiesige CDU-Sprecher Guido Niermann fest überzeugt: „Die CDU Bremen unterstützt die Aktion auf breiter Basis.“
Allen voran schreitet der Fraktionsvorsitzende Ronald-Mike Neumeyer, der die Pläne der Bundesregierung für „völlig überzogen“ hält. Er befürchtet, daß durch eine doppelte Staatsbürgerschaft „das Gegenteil von Integration erreicht wird“. Ähnlich sieht es Karl Uwe Oppermann, der im Ausländerausschuß der Bürgerschaft sitzt. Er will selbst auf die Straße gehen, um Unterschriften zu sammeln.
Andere Töne schlägt dagegen schon der ausländerpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Klaus Peters, an. Der CDU-Abgeordnete kündigte gestern gegenüber der taz „Bedenken“ bezüglich des Vorhabens an. Und wer sich klar vom Parteivorsitzenden distanziert, sind viele junge Mitglieder. Der Bremer Landesvorsitzende der Jungen Union, Andreas Windler, findet es zwar gut, „daß die Meinungsfindung jetzt auf eine breite Basis gestellt wird“. Er betont allerdings, daß die JU die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres fordert. Für eine Beibehaltung der jetzigen Regelung, die bereits seit 1913 existiert, will Windler seinen Namen nicht hergeben.
Noch weiter distanziert sich der JU-Kreisvorsitzende Claas Rohmeyer, Vorsitzender der CDU-Osterholz, von der Aktion, die er als „Populismus“ abtut. Was ihm an Schäubles Vorhaben stinkt, ist die Tatsache, daß sie „völlig destruktiv ist. Ich werde nicht eine einzige Unterschrift sammeln.“
Auch Bernd Huse, CDU-Beiratssprecher in Schwachhausen, hat eine klare Antwort auf Schäuble: „Nein.“ Er selbst habe jahrelang im Ausland gelebt und wisse, „wie man sich als Ausländer fühlt, der nur geduldet ist“. Seine Tochter sei mit einem Ausländer verheiratet, einem Schweizer, und habe selbstverständlich auch die Schweizer Staatsbürgerschaft. Für einen Schweizer, der mit einer Deutschen verheiratet ist, gibt es aber erhebliche Hürden, wenn er auch die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen will. „Das ist nicht gastlich“, findet Huse.
Ebenfalls Bauchschmerzen mit der Aktion hat Matthias Henkel. Henkel ist Vorsitzender der CDU- Arbeitnehmerschaft (CDA). Zwar hält er nichts von der doppelten Staatsbürgerschaft. „Trotzdem müssen wir die Integration der Ausländer in Deutschland forcieren“, fordert Henkel. Er stellt sich darum gegen Schäuble und schlägt vor, „bestehende Hemmnisse bei der Einbürgerung kritisch zu begutachten und anschließend einen Wechsel der Staatsbürgerschaft zu vereinfachen. Das würde viele Probleme lösen.“ Auch Fraktionschef Neumeyer will eine erleichterte und schnellere Einbürgerung.
Noch einen anderen Vorschlag unterbreitet der Bremerhavener CDU-Fraktionschef Paul Bödecker. Der fordert „mehr Mut von der Parteispitze“. Statt einer Unterschriftenaktion solle man besser einen Volksentscheid beantragen. Das läßt sich aber nicht realisieren, da es auf Bundesebene in solch einem Fall nicht vorgesehen ist. Und auf Landesebene darf nicht über Bundesgesetze entschieden werden. Jeti/ede/K.W.
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