Kreativ im kalten Raum der Kunst

Vom Keller bis zum Dach beherbergt die Kunst-Fabrik in Friedrichshain ein Allerlei an Begegnungen – mit ständig neuen Angeboten zum Selbermachen und Gestalten, Open-stage-Bühnen, Bike-Performances, Ausstellungen, Lesungen und Diskussionen  ■ Von Andreas Hergeth

„Das Tanzbein geschwungen“ – das waren noch Überschriften, damals in der DDR. Als „die DSF- Grundeinheiten der PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) Raumkunst“ ihren „Ball der Freundschaft“ zelebrierten. Die Zeitungsseite aus dem Jahre 1982 steckte zerknüllt in einem alten Ofen. Seitdem wurde hier nicht mehr geheizt, hier, in der „Fabrik“ in Friedrichshain. Das alte Blatt Papier prangt jetzt hinter Glas und hängt am Fundort an der Wand.

Hat doch die Fabrik mit Tanzen zu tun, mit Raum- und anderer Kunst, Handwerk etc. Die Fabrik ist ein Haus für Begegnung, für Kultur und Leben, für kreative Projekte und Existenzgründungen in den „Grenzbereichen von Kunst und Gewerbe“. Eigentlich suchte Rainer Düvell 1996 nur geeignete Räume, um seinen Bilderzyklus „Mann sein/Frau sein – Gegenwart aus dem Dritten Reich“ zu vollenden. So entdeckte er die Fabriketagen. Längst verlassen, ohne Strom, Wasser, Heizung. Aber mit Patina. Durch die jahrzehntelange Nutzung als Tischlerei oder Hutmacherei entwickelten die Räume Charme.

Hier ist Platz, künstlerische Träume zu verwirklichen. Platz, „für sinnliches, sanftes Arbeiten“, wie es Rainer Düvell nennt. Also schaute er sich nach Mitstreitern um. Mit Raumentwickler Karsten Feucht gewann er einen. Die beiden sind aktionskünstlerisch verbunden. Zum Beispiel machten sie von sich reden, als sie mit dem öffentlichen Raum zwischen Neuer Nationalgalerie und Philharmonie über ein Jahr lang die städtebauliche Leere „verteidigten“ und füllten.

Jetzt also das Kunsthaus Fabrik, seit einem halben Jahr für verschiedenste Aktionen und Angebote geöffnet. Sozusagen ein interdisziplinäres Unterfangen. Noch ist es zwar verdammt kalt, eine funktionierende Heizung gibt es (noch) nicht. Dafür entwirft, baut und verkauft hier Alexander Rupff Fahrräder. Ach was, Räder. Wahre Kunstwerke sind die nach individuellen Wünschen entstandenen Bikes. Ganz unten die Werkstatt, im dritten Stock der Ausstellungsraum von „Cyclcore“. Sieht einfach klasse aus. Ölgetränkte Dielen, verrußte Wände, davor die Räder. Womit die eingangs erwähnten Grenzbereiche von Kunst und Gewerbe beispielhaft Erklärung fanden. Zwei Etagen drüber hört man manchmal Tangoklänge. Karsten Feucht bot hier „Tangolibre“ (wieder ab März), tänzerische Improvisationen für alle, denen stupides Abtanzen von Schrittfolgen zu öde ist. Das Tanzbein wird in jenem Raum geschwungen, dessen Ofen die alte Zeitungsseite barg. Schöner Zufall.

„Zufällig“, so über Mund-zu- Mund-Propaganda, sind auch die anderen Nutzer zur Fabrik gekommen. DJ Max Auste richtet gerade sein Tonstudio ein. Jenny Brockmann und Jyrk Feiser arbeiten mit Metall, der Bilderzyklus und andere Arbeiten von Rainer Düvell sind zu sehen, Fritz J. Rudert baut eine Bibliothek auf, Maler und Atemlehrer Roberto Schneider bietet Rebirthing – Atemarbeit und Massage – an. Außerdem ist da das Büro für Raumentwicklung, von Düvell/Feucht betrieben. Vom Keller bis zum Dach Kunst, Kultur, Handwerk also. Mit ständig neuen Angeboten zum Selbermachen, mit Open-stage-Bühne, Kursen, Bike-Performances, kreativem Gestalten, Ausstellungen, Lesungen und so. Und Diskussionen. Wie geht's jedoch weiter mit dem Nutzungsvertrag des Gebäudes und der Heizung?

Nächster Termin: 7. Februar in der Fabrik, Frankfurter Allee 53, Tel.: 42013642