: Alles nüchternes Handwerk
Anke Schäferkordt ist seit Jahresbeginn Vox-Chefin und die erste Frau an der Spitze eines TV-Vollprogramms. Für sie ist ihr Job vor allem Business as ususal ■ Von Robin Alexander
Seit Mitte Dezember bekommt Anke Schäferkordt Sachertorte von wichtigen Leuten. „Die ist von einem Lizenzgeber. Mögen Sie ein Stück zum Kaffee?“, fragt sie und lächelt höflich. Lizenzgeber verkaufen Spielfilmrechte. Ein so knappes Gut, daß man es eigentlich auch los wird, ohne Sachertorte an die Kunden zu verschicken. Die Frau, die den Kuchen trotzdem bekommt, ist seit Jahresanfang die neue Geschäftsführerin des Privatsenders Vox – die erste Frau, die ein deutsches Fernsehvollprogramm führt.
Ihr Büro ist im dritten Stock eines Neubaus im Kölner „Mediapark“. Eine grelle Leuchtreklame „Bärbel Schäfer“ pappt an einer schlichten Fassade gleich um die Ecke. Schäferkordts Weg zur Arbeit führt gleich an mehreren zweckmäßigen und billigen Unterhaltungsfabriken der TV-Industrie vorbei. Dabei hätten die Eigentümer von Vox eigentlich genug Kapital, ihren Sender repräsentativ residieren zu lassen. Doch die Gesellschafter, neben zwei kleineren Anteilseignern der US-australische Tycoon Rupert Murdoch und der deutsche Bertelsmann-Konzern, sind sich meist nicht einig, wie groß Vox überhaupt sein soll. Murdoch wollte letztes Jahr den Sender für die erste Liga aufrüsten – aber nur, wenn er ihn allein steuere. Die Bertelsmänner würden ihn lieber als Billigstation in ihre RTL-Familie integrieren. Immerhin ernannten beide Seiten kurz vor Weihnachten einmütig und ein bißchen überraschend Anke Schäferkordt zur Chefin bei Vox.
Die verkündet unbeeindruckt Pläne in PR-Deutsch: „Mit Vox soll man in Zukunft ein Gefühl der guten Unterhaltung verbinden.“ Einerseits. Andererseits soll Vox „ein infoorientiertes Vollprogramm“ bleiben. Mit neuen Eigenproduktionen wie „Koslars Comedy Talk“ (siehe Kritik rechts), mehr Spielfilmen aus einem teils gebraucht von RTL übernommenen Paket und modifizierter Programmstruktur soll Vox den mageren Marktanteil ausbauen. Übers Jahr erreichte Vox mal eben knapp über drei Prozent der Zuschauer, mit bröckelnder Tendenz.
Doch die etwas unklaren Pläne der Frau Schäferkordt interessieren ohnehin kaum jemanden: „Viele Journalisten sehen das Thema Frau im Vordergrund“, erzählt sie und ist schon mal vorsorglich genervt. „Ich sehe das nicht so.“ Doch es fällt schwer, nicht über Anke Schäferkordt als Frau zu schreiben. Eigentlich will man doch wissen, wie so eine Powerfrau ausschaut, die mit 36 Jahren einen ganzen Sender managt. Halblange Haare mit Pony, schlank, aber nicht dürr. Flache Absätze, weil sie recht groß ist. So sehen auch Referendarinnen fürs Lehramt aus. Ein Geschöpf des Alltags, das überhaupt nicht die Unwirklichkeit verkörpert, die die Top-Arbeiter an der Ware Fernsehen oft in sich aufgesogen zu haben scheinen wie Ex- RTL-Boß Helmut Thoma oder Fred Kogel von Sat.1. „Die Branche ist nüchterner geworden“, wiegelt sie ab. Und welche Chance haben Frauen in dieser Branche? „Ich kann wirklich niemandem Benachteiligung vorwerfen.“
Die 36jährige, deren BWL-Diplom keine zehn Jahre alt ist, hat eine Karriere gemacht, an der vor allem auffällt, wie schnell sie ging. Seit dem Abschluß arbeitet sie für Bertelsmann. Der Konzern schickte sie erst ins RTL-Management, später zu Vox. Seit 1997 leitete sie neben dem kaufmännischen Bereich auch Lizenzeinkauf und Programmplanung. „Programmdirektorin in Personalunion“, sagt sie stolz. Und hat natürlich höhere Ziele: „Vox ist die Spitze – in der zweiten Liga.“ Einstweilen ist der Sender auch bei den kleinen Konkurrenten Kabel 1, RTL 2 und Super RTL hinten. Um überhaupt noch Werbegelder zu akquirieren sendet Vox neuerdings als erster Sender Telefonsexwerbung schon ab 23 Uhr.
Und was einmal aus Vox wird, entscheidet ohnehin nicht Anke Schäferkordt – das müssen Murdoch und Bertelsmann unter sich ausmachen. Vielleicht wollte sich die Fachpresse die treue Bertelsfrau zunächst nur als „Interimslösung“ bei Vox vorstellen. Kein Wort von ihr darüber. In dieser Branche gilt: Man ist nicht enttäuscht.
„Es ist meine Aufgabe, die Leute zum Vox-Sehen zu verführen“, sagt Schäferkordt bestimmt: „Aber nicht auf Teufel komm raus“, schiebt sie nach einer Atempause nach. Aber wann beginnt Verführung auf Teufel komm raus? Wenn Tierfilme um 6.30 Uhr laufen, zum Frühstück vor dem Schulweg? Oder wenn am Abend in „Wa(h)re Liebe“, der einzig bekannten Vox-Eigenproduktion, Swingerclubs rezensiert werden?. „Die Verantwortung liegt beim Zuschauer“, sagt die Frau, die das Programm verantwortet. Erst die Vielfalt der Privatsender ermögliche doch echte Auswahl, sagt sie und füllt die Tassen. Nein, sie hätte auch keine Bedenken als Chefin von Premiere, wo nachts Pornos laufen. „Auch Zappen ist in gewissem Sinne Auswählen.“
Die Fernsehzeit der Zuschauer sei ohnehin nicht mehr zu steigern: „Es geht darum, den Anteil von Vox an diesem Fernsehkonsum zu steigern.“ So argumentiert auch die Tabakindustrie. Von dem Mann, dessen Handwerk sich die erste deutsche Vollprogrammchefin abgeschaut hat, stammt auch ein anderes Credo: „Dr. Helmut Thoma hat einmal gesagt, der Wurm muß dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“, sagt sie und macht eine verabschiedende Geste. „Sehen Sie, letztlich ist es doch egal, ob der Angler ein Mann ist oder eine Frau.“
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