Kommentar
: Schwierige Zeiten

■ Die Entwicklung der Weltwirtschaft läßt Rot-Grün nur wenig Chancen

Jahrelang hat sich Heiner Flassbeck als Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und einer der schärfsten Gegner der alten Bundesregierung profilieren können – mit Untergangsprognosen ob der völlig einseitig angebotsorientierten Politik im Hause Kohl und Waigel. Nun ist Flassbeck noch nicht hundert Tage im Amt des Finanzstaatssekretärs und sieht sich bereits mit einem ähnlichen Horrorszenario aus den Federn seiner einstigen Mitarbeiter konfrontiert.

Politisch am schlimmsten: Im ersten Jahr unter Schröder und Lafontaine wird es kaum weniger Arbeitslose geben als im Wechseljahr 1998. Das läßt die Selbstverpflichtung der Bundesregierung, die Zahl der Erwerbslosen bis zum Jahr 2002 „spürbar“, am besten auf drei Millionen, zu reduzieren, mehr als gewagt erscheinen. Daß die anderen Wirtschaftsinstitute – anders als zu Kohls Zeiten – zu ähnlichen, wenn auch nicht ganz so vernichtenden Konjunkturprognosen kommen, unterstreicht, wie schwierig die Situation ist.

Die Analyse der Ursachen läßt nur den Schluß zu: Rot-Grün ist zum falschen Zeitpunkt an die Macht gekommen. Während etwa New Labour in Großbritannien oder die Regierung Jospin in Frankreich bei ihren Amtsantritten auf ein einigermaßen ruhiges weltwirtschaftliches Umfeld stießen, hat sich die Lage in Asien, Rußland und Mittelamerika pünktlich zum Start Schröders dramatisch verschlechtert.

Das trifft, wie sich jetzt zeigt, alle Industriestaaten und schlägt in Deutschland besonders durch, weil der zuletzt spürbare Aufschwung hier vor allem den zeitweise zweistelligen Wachstumsraten beim Export zu verdanken war. Investitionen und private Nachfrage dagegen hinken dem EU-Durchschnitt hinterher.

So werden die hochgesteckten Erwartungen an Rot-Grün wohl enttäuscht werden. Denn was bleibt Schröder, Lafontaine & Co.? Zinssenkungen, die die Nachfrage ankurbeln und die Angebotsbedingungen verbessern könnten, stehen nicht in ihrer Macht, sondern in der der Europäischen Zentralbank. Eine höhere Verschuldung würde mit den Zwängen des EU-Stabilitätspakts kollidieren und steht deshalb – das hat Flassbeck auch schon verdeutlicht – nicht zur Debatte. Was bleibt, sind höhere Lohnsteigerungen zwecks Ankurbelung der Inlandsnachfrage. Aber dabei müssen erst einmal die Tarifpartner mitziehen. Beate Willms