Lafontaine will doch Schulden abbauen

■ Stabilitätsprogramm vorgelegt: Ruf des DIW nach neuer Kreditaufnahme verhallt

Bonn/Berlin (AFP/taz) – Die Forderung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) an die Bundesregierung, zur Ankurbelung der schwachen Inlandsnachfrage neue Kredite aufzunehmen, kam wohl zu spät. Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) hat sich vorgenommen, die Neuverschuldung Deutschlands in den kommenden Jahren schrittweise zu senken und das Haushaltsdefizit bis zum Jahr 2002 auf ein Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu reduzieren. Das geht aus dem Stabilitätsprogramm hervor, das Lafontaine gestern bei der Europäischen Kommission eingereicht hat.

Mit den Stabilitätsprogrammen, die alle Euro-Mitgliedsländer jährlich aktualisieren müssen, soll die Einhaltung der Maastrichter Kriterien für die Teilnahme an der Währungsunion für Brüssel überprüfbar gemacht werden.

Für das abgelaufene Jahr erwartet die Bundesregierung offenbar eine Defizitquote von 2,5 Prozent, die sich im laufenden sowie im Jahr 2000 auf 2,0, 2001 auf 1,5 und dann auf 1,0 Prozent verringern soll. Der Maastrichter Vertrag sieht eine Obergrenze von 3,0 Prozent vor. Ebenfalls im Jahr 2002, mit dem Start des Euro-Bargeldes, soll Deutschland zudem auch ein zweites Stabilitätskriterium erfüllen und einen gesamten öffentlichen Schuldenstand von weniger als 60 Prozent des BIP erreichen. Um dahin zu kommen, dürften die Staatsausgaben um nicht mehr als durchschnittlich zwei Prozent jährlich steigen, heißt es in dem Bericht. Damit würden sie hinter der durchschnittlichen nominalen Zunahme des BIP, also der Summe aller im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen, zurückbleiben, die auf vier Prozent geschätzt wird. Die Staatsquote, also der Anteil des Staates am Bruttoinlandsprodukt, sinke von 49 Prozent im Jahr 1997 auf weniger als 45 Prozent im Jahr 2002. Dadurch könne es im Rahmen der geplanten Steuerreform Netto-Steuersenkungen in Höhe von rund 15 Milliarden Mark im Jahr 2002 geben.

Experten sehen allerdings Probleme. Um die angestreben Ziele zu erreichen, benötige Deutschland bis 2002 ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent. Das DIW hatte aber in seiner Jahresprognose einen Einbruch der Konjunktur vorhergesagt. Das BIP werde um nicht mehr als 1,4 Prozent steigen. Das Bankhaus Julius Bär stützte gestern mit einer Prognose von 1,6 Prozent diese pessimistische Einschätzung. Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) erklärte zwar, an seiner ursprünglichen Einschätzung von 2,0 Prozent festzuhalten, machte aber auch deutlich, das sei „kein Grund zur Euphorie“. bw