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Jugendliche abholen, wo sie sind

■ Berufsberatung gegen Ausbildungsnot: Findorffer Projekt feiert große Erfolge

Marko hätte es nicht „gepackt“ eine Lehrstelle zu kriegen – jedenfalls nicht ohne „Holli“ und „Hempel“, beteuert er. „Holli“ und „Hempel“ sind zwei Menschen in einem Projekt, das das Freizeitheim Findorff 1997 angeschoben hat. Sozialpädagoge „Holli“ und Berufsberater „Hempel“ vom Arbeitsamt organisieren das Berufsberatungsprojekt „Neue Wege“ – eine Kooperation zwischen Arbeitsamt, Freizeitheim und mittlerweile auch dem örtlichen Sozialamt. Sie alle widmen sich nur den arbeitslosen Jugendlichen im Stadtteil. Das Ziel: Kids zur Berufsberatung zu locken und mit sozialpädagogischen Coaching in eine Beschäftigung zu lotsen.

In Findorff hat man nämlich ein Problem erkannt: Wer jung und arbeitslos ist, scheut den Weg zur Berufsberatung ins große Arbeitsamt – aus Schwellenangst, Frust und innerer Selbstaufgabe. Berufsberater Christian Hempel geht deshalb jeden Montag dorthin, wo die Jugendlichen sind: Im Freizi Findorff bietet er regelmäßig Berufsberatung an. Sozialpädagoge Hülsemann sitzt im Gespräch mit dabei. Dann wird gemeinsam ein Plan aufgestellt – samt Nachhilfestunden vor Ort, dem Üben von Bewerbungssgesprächen, Einstellungstests und Bewerbungsschreiben.

Gemeinsam arbeiten Berufsberater und Sozialpädagoge dann vor allem an einem: „Aus den Köpfen der Jugendlichen herauszukriegen, daß sie keine Chance haben“, sagt Berufsberater Christian Hempel. Mit einer einzigen Berufsberatung sei es nicht getan: „Diese Menschen brauchen konkrete, praktische Hilfe“. Und zusätzlich sozialpädagogisches Coaching: „Ich betreue die Jugendlichen, gehe mit zu Bewerbungen und erkundige mich auch während einer neuen Arbeitsstelle, wie es läuft und ob es Schwierigkeiten gibt“, erklärt Sozialpädagoge Hülsemann.

Eine jetzt ausgewertete Bilanz der jüngsten Arbeit: Von den zuletzt in Zusammenarbeit mit dem Sozialamt beratenen jungen 140 Sozialhilfeempfängern kamen fast 40 Prozent in Arbeit – davon allein 12 in Ausbildung sowie 43 in einjährige Berufsvorbereitungen. Die restlichen 76 Leute brachen entweder die Beratung ab oder meldeten sich auf Anfrage erst gar nicht. „Das sind Leute, die wirklich heftige Probleme haben“, sagt Hülsemann.

„Gezielte Beratung und Betreuung vor Ort“ – darin sieht das Projekt den Schlüssel zum Erfolg. Aber auch im direkten Kontakt mit Firmen. Neue Ausbildungsplätze hat das Projekt zwar nicht geschaffen. Durch die gut vorbereiteten Bewerber hofft das Team aber, Betriebe zu mehr Lehrstellen zu bewegen. Außerdem konnte es überhaupt Jugendliche ansprechen und für Maßnahmen begeistern, die bislang im Nirwana verschwanden.

Fast 50.000 Mark im Monat könnte Bremen so an Sozialhilfe sparen, sagt Sozialpädagoge Hülsemann nach Berechnungen des örtlichen Sozialamtes. Deshalb rührt das Projekt gerade bei Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) die Werbetrommel und klopfte dort um zwei weitere Stellen an – wegen steigender Nachfrage. Aber dort hat man das Anliegen noch nicht richtig zur Kenntnis genommen: „Wenn es da was gibt, wird sich das sicher lösen lassen“, sagte Senatoren-Sprecher Holger Bruns lapidar auf Nachfrage. kat

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