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KommentarDoppelte Polarisierung

■ Diepgen hat die Integration zu den Akten gelegt

Noch vor Jahresfrist schien es, als hätte sich in der Berliner CDU der weltoffene, liberale Großstadtflügel durchgesetzt. Statt wie der damalige Innensenator Jörg Schönbohm der „deutschen Leitkultur“ nachzutrauern, versuchte Eberhard Diepgen auf mehreren „Innenstadtkonferenzen“, die Probleme der Einwandererstadt Berlin pragmatisch in Angriff zu nehmen. Bereits zuvor hatte der CDU- Chef einem Migrationskongreß gutes Gelingen gewünscht, auf dem die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts als zentraler Schritt zur Integration der hier lebenden Ausländer diskutiert wurde. Doch das ist Schnee von gestern. Mit seiner gestrigen Philippika gegen die rot-grüne Ausländerpolitik und der Ankündigung, die Schäuble-Stoibersche Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft zu unterstützen, hat Diepgen deutlich gemacht, daß großstädtische Liberalität auch bei der Berliner CDU der kleingeistigen Parteiräson zu weichen hat. Auch in Berlin erscheint den allermeisten Christdemokraten ein Wahlkampf um die Ausländerpolitik als einzige Chance zur politischen Profilierung. Doch um welchen Preis? Gerade in Berlin hätte die Möglichkeit bestanden, Integration als Prozeß zu begreifen, an dem zwei Seiten beteiligt sind. Gerade weil die bisherige Einbürgerungspraxis etwa wegen der türkischen Ausbürgerungspolitik oder der kulturellen Vorbehalte der Migranten festgefahren war, sollte den Einwanderern ein Angebot unterbreitet werden, das die lebensweltliche Verankerung in zwei Kulturen nicht als Abweichung, sondern als Teil der deutschen – und damit der globalisierten – Normalität begreift. Wer nun aber wie Diepgen die Integration an Treueschwüre und Sprachtests knüpfen will, verfolgt das genaue Gegenteil – nicht die Vermittlung zwischen den Kulturen stünde im Vordergrund, sondern die Polarisierung. Zumindest die türkischen CDU-Mitglieder um Emine Demirbüken wissen um die Gefahr einer solchen Politik. Hätten Stoiber, Diepgen & Co Erfolg, wäre nicht nur die deutsche Bevölkerung mit einem politischen Lagerkampf konfrontiert, sondern auch die ausländische mit einem kulturellen. Von Integration dürfte dann endgültig keine Rede mehr sein. Uwe Rada

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