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Diepgen stoibert gegen Ausländer

■ Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen unterstützt die umstrittene CDU-Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsangehörigkeit. Harsche Kritik von SPD und Grünen. Türkische CDU-Mitglieder form

Massiven Protest von SPD, Grünen und türkischen CDU-Mitgliedern hat gestern eine Erklärung des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) ausgelöst, in der er sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ausspricht und die umstrittene CDU- Unterschriftensammlung unterstützt. Diepgen bezeichnete die Pläne der rot-grünen Bundesregierung als „integrationsfeindlich“ und forderte ein „modernes Staatsangehörigkeitsrecht“, das „nicht zu einer massiven Erweiterung des Nachzugs führt“. CDU- Innensenator Eckhart Werthebach hat unterdessen bereits angekündigt, daß er die Unterschriftenliste unterzeichnen wird. SPD-Fraktionschef Klaus Böger forderte Diepgen gestern in einem Schreiben auf klarzustellen, daß er mit seiner Position nicht für den Berliner Senat und die Koalition spreche. Die von der CDU geplante Unterschriftenkampagne sei „beschämend“. Böger verwies auf die Berliner Koalitionsvereinbarung, die eine Erleichterung der Einbürgerung vorsehe. In bestimmten Fällen solle dabei auch die doppelte Staatsangehörigkeit hingenommen werden.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird bei der Parlamentssitzung am kommenden Donnerstag einen Dringlichkeitsantrag einbringen. Das Abgeordnetenhaus soll sich für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes einsetzen und alle politischen Kräfte zu einer sachlichen Auseinandersetzung aufrufen. Mit der Unterschriftenaktion von CDU und CSU werde ein „Einbürgerungskrieg auf dem Rücken der Ausländer“ ausgetragen.

Auch die türkischen CDU-Mitglieder formieren sich gegen die Unterschriftenkampagne. „Ich glaube nicht, daß die türkischstämmigen CDU-Mitglieder das herunterschlucken werden“, sagte das liberale CDU-Mitglied Emine Demirbüken. Sie selbst denke seit einigen Tagen darüber nach, aus der CDU auszutreten. Sie warf der Union vor, eine Hetzkampagne zu führen. „Ich habe gehofft, daß die Berliner CDU besonnener ist.“ Sie sei von Diepgen „andere Töne gewöhnt“. Diesen Vertrauensverlust werde er nicht wieder wettmachen können.

Diepgen hatte in seiner Erklärung den Eindruck erweckt, daß die doppelte Staatsbürgerschaft den unkontrollierten Nachzug von Ehepartnern und Verwandten nach sich ziehen könnte. Demirbüken nannte es „irrsinnig“, Ausländern zu unterstellen, nach der Einbürgerung in der Heimat auf Brautschau gehen zu wollen. „Wer heiraten will, tut das unabhängig vom Paß.“

Der liberale CDU-Zirkel „Zukunftskreis“, der sich seit einem dreiviertel Jahr u.a. mit der Frage des Staatsangehörigkeitsrecht befaßt, will sich am Wochenende mit einer Erklärung gegen die Unterschriftenaktion zu Wort melden. Der Vorsitzende der CDU-nahen Deutsch-Türkischen Union, Ertugrul Uzun, warnte die Berliner Union, im Vorfeld der Abgeordnetenhauswahl eine solche Unterschriftenkampagne durchzuführen. „Das wird dazu führen, daß die CDU als türkenfeindlich wahrgenommen wird.“ Dies schade der Partei nicht nur bei den türkischen, sondern auch bei liberalen deutschen WählerInnen. Zur Ankündigung Diepgens, daß die Unterschriftenkampagne in Berlin so gestaltet werde, daß sie die hier lebenden ausländischen Bürger „weder angreift noch ausgrenzt“, erklärte Uzun: „Das kann noch so schön verpackt sein, das wird ausländerfeindliche Ressentiments schüren.“ Dorothee Winden

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