: Polizeichef für Anwars Blaues Auge verantwortlich
■ Malaysias Polizeichef kündigt für heute seinen Rücktritt an und übernimmt die Verantwortung für die Mißhandlung des gestürzten Vizepremiers Anwar Ibrahim im Polzeigewahrsam
Hongkong (taz) –Der malaysische Polizeichef Abdul Rahim Noor hat wegen der Mißhandlung des früheren Vizepremiers und Finanzministers Anwar Ibrahim nach dessen Verhaftung im vergangenen September gestern seinen Rücktritt angekündigt. Rahim Noor sagte in einer von der staatlichen Nachrichtenagentur Bernama verbreiteten Erklärung, er übernehme die „volle Verantwortung“ und werde heute zurücktreten. Gerüchten zufolge soll Abdul Rahim Noor gar persönlich zugeschlagen haben.
Der bei Premierminister Mahathir Mohamad in Ungnade gefallene Anwar war eine Woche nach seiner Verhaftung am 20. September mit einem blutunterlaufenen Auge und Verletzungen am Nacken vor Gericht erschienen. Er sei fast bewußtlos geschlagen worden, nachdem ihn Beamte mit Handschellen gefesselt und ihm eine Augenbinde umgelegt hätten, berichtete Anwar Ibrahim.
Das „Veilchen“ erregte damals auch international großes Aufsehen. Den Wirbel fachte noch eine Äußerung von Ministerpräsident Mahathir an: Anwar habe sich die Verletzungen womöglich in der Zelle selbst zugefügt, um Mitgefühl zu erregen, meinte er.
Der jetzige Rücktritt des Polizeichefs wurde durch einen Bericht von Generalstaatsanwalt Mohtar Abdullah von Anfang der Woche ausgelöst. Darin hieß es erstmals offiziell, daß Polizisten Anwar kurz nach seiner Verhaftung verprügelt hätten. Doch Chefankläger Mohtar Abdullah nannte bislang nicht die Namen der uniformierten Täter. Er erklärte lediglich, die Polizei habe insgesamt 67 Personen, darunter 63 Ordnungshüter, verhört. Der Bericht werde später noch ergänzt, so der Generalstaatsanwalt. „Nach vier Monaten haben sie immer noch nicht den Polizeichef vernommen“, beschwerte sich Anwar im Gerichtssaal.
Auch Oppositionsführer Lim Kit Siang von der kleinen „Demokratischen Aktionspartei“ (DAP) kritisierte den unvollständigen Report der Staatsanwaltschaft. Er identifiziere nicht konkret „den oder die Polizisten“, die zugeschlagen hätten. Die Untersuchung, forderte Lim, müsse deshalb von einer unabhängigen Instanz wiederholt werden. Dieser Forderung hat Mahathir inzwischen halb nachgegeben. Am Mittwoch verkündete er, er erwäge die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission. Dies dürfte Polizeichef Rahim Noor zum Rücktritt bewogen haben.
Die Affäre ist eine tiefe Blamage für Mahathir, der seinen Vize zunächst gefeuert hatte und dann wegen angeblicher homosexueller Beziehungen verhaften ließ. Die brutalen Verhörmethoden der Polizei sind damit erstmalig öffentlich geworden. Anwar steht derzeit wegen Amtsmißbrauch und Homosexualität in zehn Fällen vor Gericht. Das Verfahren hat nach vier Monaten noch immer nicht seine Brisanz verloren. Es stellt mit seinen vermeintlichen Enthüllungen über Anwars Sexualleben die Clinton-Lewinsky-Affäre in den Schatten.
Um den angeblich lockeren Lebenswandel Anwars zu beweisen, präsentierte die Staatsanwaltschaft jüngst eine Matratze, auf der Samenreste und Spuren einer mutmaßlichen Geliebten zu finden sein sollen. Der Bericht des Staatsanwalts hilft den Verteidigern Anwars, die von einer politischen Verschwörung gegen ihren Mandanten ausgehen. Die Anwälte wollen nachweisen, daß die verdächtigen Körperflüssigkeiten auch ohne Anwars Zutun auf die Matratze gelangen konnten. Deshalb habe man ihn bewußtlos schlagen müssen. Jutta Lietsch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen