Zum Clubben in den „Klub“

■ Das Podewil begibt sich mit zwei neuen musikalischen Reihen an die Schnittstelle von Elektronik, Experiment, DJ-Set und neuen Medien

Alle wollen ihn: den DJ. Der Rave findet im Theater statt, kein Diskussionspanel mehr ohne Clubsound, und die „Biennale“ made in Berlin ging sogar so weit, mit dem bißchen Kunst eher die ganzen DJ-Events im Postfuhramt auszuschmücken, als umgekehrt. Während die Kunstgalerien und die verstaubten Bühnen ihre künstlerische Befreiung durch Pop noch kräftig feiern, versucht das Podewil auf subtilere Weise, sich unter dem Motto „Lebendige Elektronik“ eine Frischzellenkur zu verpassen.

Das Podewil, beim normalsterblichem Szenevolk immer noch als Hort geheimniskrämerischer Avantgarde verschrien, will dieses Jahr wieder das Clubvolk ansprechen, das Mut zu experimentellen Klängen mitbringt. Schon seit längerem versucht man etwa, in dem kleinen Raum des Podewils, den man „Klub“ genannt hat, neue Wege des Grenzgängertums zu beschreiten. „Musik im Klub“ nennt sich eine Reihe, die die Schnittstellen von Elektronik, experimenteller Musik, DJ-Set und neuen Medien beleuchten soll, ohne sich gegenüber den geschmäcklerischen „Freunden der guten Musik“ dem Banalitätsvorwurf aussetzen zu müssen.

Bisher lief die in verschiedene Programmblöcke eingebettete Reihe recht schleppend. Den „Klub“ als Club im Sinne von Abhängen, Plaudern, Bier-Trinken und Nebenbei-gute-Live-Musik- Hören ausgerechnet im Podewil zu finden fällt allerdings noch schwer. Lediglich das kleine „Freude durch Elektronik“-Festival im letzten Jahr, mit einschlägigen Berliner Pop-Elektronikern aus dem erweiterten Umfeld des umtriebigen Kitty-Yo-Labels, ließ auch mal den „normalen“ Clubber einen Blick in den Laden werfen, an dem sonst meist DAAD-Stipendiaten ein- und ausgehen. Aber der Klub soll und kann letztlich auch gar nicht die Funktion irgendeines Underground-Schuppens erfüllen, bei dem man Eintritt dafür bezahlt, Party-Hedonist sein zu dürfen.

Wie die neue Reihe um das Kölner Plattenlabel A-Musik zeigt, geht es mehr darum, Klub-Atmosphäre zu schaffen für elektronische Musik, zu der man kaum tanzen kann, die aber zu sehr „Lebendige Elektronik“ ist, um sich hinter dem Begriff Konzert verstecken zu müssen.

A-Musik ist einer der vier Kölner Plattenläden, die anläßlich des letzten Steirischen Herbstes eingeladen wurden, um dort den Plattenladen als kleinen Kosmos aus Plattenverkauf, Label, Vertrieb und kreativer Keimzelle zu verkunsteln.

Die kleine Mittwochsreihe im „Klub“ will nun anhand des Phänomens A-Musik den Versuch unternehmen, das Kölner Biotop und die vielbeschworene „Electronica aus Colonia“ vom Ursprungsort gelöst zu betrachten. An drei Abenden gibt es drei Live-Acts nicht ohne DJ. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den in Köln längst berühmten Sets von A- Musik-Besitzer Georg Odijk und Frank Dommert. Was ein Berliner Plattenladen „gelbe Musik“ nennt, heißt bei diesen beiden „selten gehörte Platten“. Was bedeutet, daß Stockhausen jederzeit mit Drum & Bass gemixt werden kann. Hauptsache, die Platten kennt niemand.

Totale Vernetzung, Synergieeffekte grenzenlos, hunderttausend Plateaus – mit diesen Formeln hat sich elektronische Musik längst für die Zeiten nach dem Millennium- Bug startklar gemacht. Doch auch die „Zeitkratzer“-Reihe des Podewils, die eher dem „Neue Musik“- Umfeld zuzuordnen ist, hat sich vom alten Problem der sogenannten E-Musik, nämlich der eigenen Selbstgenügsamkeit, befreit. Unter der Leitung von Reinhold Friedl, der auch die neue Klub- Reihe konzipiert hat, treffen sich die zehnköpfigen „European Composer Performer“, um mit verschiedenen Gästen neue Kompositionen aus der Musik ohne Grenzen zwischen U und E uraufzuführen.

Das klingt alles nicht unspannend. Das kleine Zeitkratzer-Ensemble, das gerade erst drei CDs veröffentlicht hat, wird beispielsweise mit dem japanischen Noise- Terroristen Merzbow clashen. Wobei Kompositionen von John Cage genauso bearbeitet werden wie die des Frankfurter Minimal- Elektronikers Bernhard Günter. Ein Stück des Sonic Youth-Menschen Lee Ranaldo, nicht unbewandert in Sachen Tonschlaufen, ist übrigens auch dabei.

Interessant bei beiden neuen Podewil-Reihen: Musikalische Grenzen verwischen zunehmend. So findet sich etwa Marcus Schmickler bei beiden Konzeptionen wieder. Einmal mit seinem elektronischen Krautrockprojekt Pluramon im „Klub“ und einmal in seiner Rolle als Kompositionsschüler in Köln und als Autor einer Uraufführung durch das Zeitkratzer-Kollektiv.

„In The Mix“ hieß vor kurzem das Schlagwort beim etwas peinlichen Pseudo-Multimedia- Kongreß „Berlin Beta“. Im Podewil scheint man dieser Formel schon etwas näher kommen zu können. Andreas Hartmann

„Musik im Klub“: 13.1. Josef Suchy/Frank Dommert; 20.1. F.X. Randomiz/Tim Elzer; 27.1. Marcus Schmickler/Georg Odijk, jeweils 22 Uhr

Zeitkratzer: 11.1. Merzbow; 18.1. Dror und Feiler; 25.1. Elliot Sharp, jeweils 20 Uhr