: Aus für die aktive Gleichstellung
■ „Affirmative action“ – die kurze Geschichte eines Programms gegen Rassendiskriminierung
1954 entsprach der U.S. Supreme Court in dem Fall „Brown gegen die Schulverwaltung von Kansas“ der Verfassungsklage schwarzer Eltern und verpflichtete eine „weiße Schule“ zur Aufnahme schwarzer Kinder. Mit Bezug auf den im 14. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung verankerten Gleichheitsgrundsatz erklärte das Gericht Chancengleichheit zu einem Grundrecht und Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder ethnischen Ursprungs für verfassungswidrig. Die Verfassungshüter forderten „affirmative action“: aktive Maßnahmen – zur Gewährleistung gesetzlicher Gleichstellung und Überwindung institutionalisierter Rassendiskriminierung.
In den 60er Jahren erweiterte sich das Verständnis von affirmative action: Quotenregelungen und duale Aufnahmeverfahren sollten proportionale Repräsentation traditionell benachteiligter Minderheiten in Hochschulen und Verwaltungen schaffen. Derartige Regelungen wurden als „remedial discrimination“ oder Wiedergutmachung verstanden.
1978 klagte der abgelehnte weiße Studienbewerber Alan Bakke gegen die University of California: Das affirmative action-Programm der Universität zugunsten benachteiligter Minderheiten verletze sein Grundrecht auf Chancengleichheit. Das Schlagwort der „reverse discrimination“ (umgekehrte Diskriminierung) war geboren.
Das Urteil schließlich lautete: Chancengleichheit sei ein Individualrecht und Bevorzugung aufgrund von Hautfarbe, ethnischer Herkunft oder Geschlecht sei nur unter Beachtung restriktiver Kriterien durch den Bundesgesetzgeber erlaubt. Landesgesetzgeber sowie deren Verwaltungseinheiten – öffentliche Arbeitgeber, Hochschulen usw. – könnten allerdings Kriterien wie Hautfarbe und/oder Geschlecht als sogenannte „individuelle Plusfaktoren“ bei der Auswahl ansonsten gleich qualifizierter Bewerber berücksichtigen. Die Quotenregelungen war nunmehr weitestgehend verfassungswidrig; affirmative action innerhalb der engen Grenzen des „Plusfaktor“- Modells jedoch weiterhin möglich.
1996 orderte ein Berufungsgericht das Ende der affirmative action in den Staaten Texas, Louisiana und Mississippi. Im gleichen Jahr stimmte eine Mehrheit der kalifornischen Wähler für ein Referendum, welches die Berücksichtigung von Hautfarbe und/oder Geschlecht durch den Gesetzgeber oder öffentliche Verwaltungen untersagte. Das Aus ereilte die affirmative action schließlich auch – ebenfalls per Bürgerentscheid – im Staat Washington anläßlich der Gouveneurs- und Kongreßwahlen am 3. November 1998. Meral Ruesing
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