: Chaos am schmucken Haltepunkt
Die Bahn strukturiert sich um und investiert im Norden 700.000 Mark ■ Von Florian Marten
Bunte Schaubilder und komplexe Organigramme haben derzeit Hochkonjunktur bei den norddeutschen Unternehmensteilen der Deutschen Bahn AG (DB): Mit der zweiten Stufe der Bahnreform wird die Bahn in fünf eigenständige Aktiengesellschaften zerschlagen, die durch eine zentrale Management-Holding mit Sitz in Berlin, die DB AG, koordiniert werden sollen. Für die Bundesbahndirektion Nord bedeutet das ein totales Durcheinander. Hermann Gause, Beauftragter der Berliner Bahnzentrale für die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein, schwant denn auch schon Übles: „Das wird ein schwieriger Balanceakt.“ Und Reiner Latsch vom DB-Vorstand mahnt: „Es geht um die komplette Umstrukturierung eines sehr großen Unternehmens.“
Fünf eigenständige Aktiengesellschaften (AGs) sollen im Norden künftig an das Bahn-Geschäft abwickeln: Die DB Netz (Fahrweg), die DB Cargo (Güterverkehr), die DB Station&Service (Bahnhöfe), die DB Reise&Touristik (Fernverkehr) und die DB Regio (Nahverkehr). Jede dieser AGs hat unterschiedlich viele Regionalbereiche und Standortkonzeptionen. Zusätzlich kompliziert wird die Lage durch eigenständige Bahntöchter wie die Hamburger S-Bahn GmbH oder die schleswig-holsteinische ZugBus GmbH, die ihr Geschäft parallel zu den AGs betreiben.
Dennoch, betont Bahnchef Johannes Ludewig trotzig, mache die kleinteilige Struktur aus der Bahn keineswegs „einen Mischkonzern, aus dem man verschiedene Teile herausbrechen kann“. Die „Gesamtheit des Unternehmens“ müsse gewahrt werden, fordert er.
Um das zu garantieren, tummeln sich überall Aufpasser der Berliner Zentrale. In Norddeutschland hat Hermann Gause die schwere Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die AGs, ihre regionalen Niederlassungen und GmbHs in Norddeutschland „als Verbund handeln“. Immerhin hat die DB im Norden 1998 anders als im Bundesdurchschnitt sogar Fahrgastzuwächse erzielen können – und wer wollte das schon aufs Spiel setzen?
Bahn-Mitarbeiter schwanken nun zwischen Bangen und Hoffen. Denn die neue Organisationsform könnte auch Selbstinitiative fördern, wie das Programm der „DB Reise&Touristik“ zeigt, die ihre norddeutschen Reisezentren derzeit mit großem Erfolg von den Mitarbeitern neu gestalten und organisieren läßt.
Die norddeutschen Bahnmanager hoffen deshalb, daß die Kunden weniger von den internen Organisationsproblemen und mehr von den Investitionen mitbekommen: Rund 700 Millionen Mark will die DB AG in diesem Jahr in Hamburg und Schleswig-Holstein einsetzen, um Bahnhöfe, Strecken und Züge attraktiver zu machen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen unter anderem der Bahnhof Hamburg-Dammtor und der Kieler Hauptbahnhof in schmucke Prachtstücke verwandelt werden, die mehr Kunden anlocken als bisher.
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