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Fanzine des Witzbildes

52 Hefte in 15 Jahren haben „Strapazin“ zum bedeutendsten deutschsprachigen Comic-Magazin gemacht. Und weiter geht es im Verein für Comic-Kultur  ■ Von Christoph Bannat

Pierre, Christoph und Joe trafen sich in Zürich, über die „Bewegung“ zur Anerkennung des Autonomen Jugendzentrums AJZ. Doch es sollte noch einige Jahre, Studienwirren und Städtereisen dauern, bis das erste Strapazin entstand. Heute, nach 15 Jahren und 52 Nummern, hat sich das Heft als wichtigstes deutschsprachiges Comic-Magazin etabliert. Über das 1984 pleite gegangene Münchner Stadtmagazin Blatt entstand die erste Ausgabe. Von Anfang an war klar, Herausgeber und Redaktion sollten als Kollektiv funktionieren und alle Entscheidungen gemeinsam treffen. Eine andere Vorgabe war, von der ersten Nummer an vierteljährlich zu erscheinen – was den Druck auf die Macher von vornherein erhöhte. Außerdem sollten bekannte neben unbekannten Talenten gefördert werden.

Schnell vergrößerte sich die Herausgebergang auf heute zwölf Mitglieder. Natürlich wurde die Entscheidungsfindung dabei zu einem elendigen Gezerre. Später zogen die Herausgeber nach Zürich, und der Verlag blieb in München, so daß mittlerweile die Richtung des Jahresprogramms einmal im Jahr bei einer kulturell-konspirativen Sitzung festgelegt wird. So entstanden Städtehefte über die Hamburger Zeichnerszene, Länderhefte über Skandinavien und Amerika, Themenhefte über Sex, Emigration, Comic-Reporter und zwei Frauenhefte, die ganz (Herausgabe und Redaktion) von Frauen organisiert wurden.

Strapazin hat von Charles Burns, Munzo, David Mazzucchelli, Art Spiegelman, Julie Douchet, Anke Feuchtenberger, Thomas Ott u.v.m. alle heute wichtigen und innovativen Zeichner übersetzt und oft erstveröffentlicht. Und auch Ralf König war überglücklich, seine ersten schwulen Geschichten im Strapazin veröffentlichen zu dürfen, lange bevor er Deutschlands erfolgreichster Comic- Künstler der 90er wurde. Viele Zeichner entwarfen speziell fürs Magazin Geschichten, und es gehört noch immer zum Redaktionsprinzip, daß nur abgeschlossene Geschichten, manchmal über mehr als 40 Seiten, veröffentlicht werden.

Auch wenn es keine ausgesprochenen Redaktionsstatuten gab, war allen klar, daß sie keine „Hippie-Comics“ im Stil von Gilbert Sheltons „Freak Brothers“ oder Gerhard Seyfried veröffentlichen wollten. Strapazin fand seine Seelenverwandtschaft im amerikanischen RAW-Magazin, das von 1980 bis 1991 existierte und dessen Herausgeber Art Spiegelman, der für „Maus“ (die KZ-Geschichte seiner Eltern) den Pulitzer-Preis bekam. Art Spiegelman, Crumb-Förderer und selbst beeinflußt durch das frühe amerikanische MAD-Magazin der 60er Jahre, mußte erst durch eine psychedelische Comic-Phase, bis er zu Erzählstrukturen fand, die seinen Lebensumständen und Gefühlszuständen gerecht wurden. In diesem Anliegen treffen sich RAW und Strapazin. Da sich Strapazin nicht auf ein Comic-Genre festlegen wollte, wurde das Heft immer wieder als „arty“ und „avantgardistisch“ beschimpft. In einem Medium, das sich selbst gern auf die festgeschriebenen Fronten von E- und U-Kultur verläßt, ist das nicht verwunderlich. Dagegen dockt man inhaltlich je nach Laune bei Themen an, berichtet über Fußballbücher, veröffentlicht Buchauszüge, bespricht amerikanische Literatur, stellt neue Richtungen in der Verlagsszene vor und zeigt schon mal über mehrere Seiten Radierungen Francisco Goyas („Desastres de la Guerra“) oder Gustave Doré (1832–1883), Dante und Balzac-Illustrationen.

Oft haben Fanzines die Funktion, Schreiber in Sachen Originalität, Organisationsfähigkeit und Sozialverträglichkeit zu fördern, die dann gerne in professionell arbeitenden Redaktionen aufgenommen werden. Die Bezahlung bei Fanzines erfolgt so meist durch Beachtung durch den Kulturbetrieb, die es dann umzumünzen gilt. Die Herausgeber von Strapazin wählten einen anderen Weg: Sie hielten weiter am Heft fest, obwohl es sich bei einer 3.500er Auflage und zirka 400 Abonnenten gerade eben selbst finanzierte; in ihren bürgerlichen Berufen arbeiten die Herausgeber als Journalist, Zeichner, Grafiker oder Verleger.

Doch selbst die Bezahlung durch Beachtung blieb bei Strapazin lange aus. Amerika, Frankreich oder Japan hatten ihre eigenen funktionierenden Comic-Szenen und kümmerten sich wenig um deutsche Veröffentlichungen. Erst Anfang der 90er öffneten sich langsam die Bereiche, nicht nur, daß japanische Mangas auf den deutschen Markt drängten, es entstand auch eine eigenständige deutschsprachige Autoren-Comic-Szene. Dabei funktionert die mehrsprachige Schweiz wie eine europäische Drehscheibe, die Einflüsse aus Italien, Frankreich und Deutschland schnell aufnimmt. Ein Vergleich mit dem Musikmagazin Spex liegt hier nahe, mit dem Unterschied, daß Strapazin auf keinen industriellen Mainstream eingehen muß und Künstler mit direkten Aufträgen fördern kann.

Andererseits ist Strapazin durch den Produktionsort Schweiz und der vierteljährlichen Erscheinungsweise vom politischen Tagesgeschehen weitgehend ausgeschlossen. Mit Yvan Alagbe, dem Vorstadtpariser afrikanischer Herkunft, und seiner 50seitigen „Gelbe Neger“-Geschichte über Migranten und „illegale“ Afrikaner in Frankreich und einer 40-Seiten- Story über den Comic-Reporter Joe Sacco in Sarajevo sind Strapazin zuletzt trotzdem zwei großartige Hefte gelungen. Ohne einen wehleidigen Humanismus berichten beide Geschichten vom bedrückenden, aber auch vom ekstatisch ausgelassenen Alltag unter schweren Repressionen.

In den letzten Jahren hat Strapazin durch seine selbstgestalteten Anzeigen sogar ein Plus geschrieben, so daß an Zeichner und Autoren jetzt geringe Honorare bezahlt werden können – nach 15 Jahren. Und Strapazin wird im nächsten Jahr ein Verein: Zur Förderung und Verbreitung der Comic-Kultur. Das riecht nach Hochkultur, doch schon der nächste Arbeitstitel – Post-Tex-Avery-Punk – zeigt, wo es langgeht.

„Strapazin“ Nr. 53 ist im Dezember erschienen und kostet 10 Mark

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