■ Standbild: Chaos ist ein Nest
„37 Grad: Wo Saubermänner machtlos sind“, 22 Uhr, ZDF
Das Putzmobil der Arbeiterwohlfahrt kommt eher zu alten Menschen. Zur Sekretärin Sabine kommt es noch nicht. In deren vollgemüllter Wohnung findet sich zwischen Kisten, alten Zeitungen und Lumpen auch eine alte Milchpumpe. Die Dinge haben die Herrschaft übernommen. „Man kann das doch nicht wegwerfen“, sagt Sabine verwundert. „Nachher braucht es mal jemand.“
Sabine und die anderen Leute in dieser Reportage haben ein großes Problem. Als Zuschauer wüßte man gern, wie Sabine mit diesem Problem ihren Job bewältigt. Gundi ist Hauswirtschafterin. Bei anderen Leuten hält sie alles picobello, in ihr eigenes Haus läßt sie keinen mehr: Chaos, Müll. Ihre Familie ist ausgezogen.
Neurosen und Schlimmeres beschreibt man durch Fallgeschichten. Das ist wegen des Voyeurismus heikel, wird aber so auch in der Medizin praktiziert. „Man sieht es keinem an, wie er hinter seiner Wohnungstür lebt“, heißt es im Film. Wie wahr! Andererseits: Was für ein Satz? Es geht ja auch keinen was an. Oder doch? Was, wenn der Müll isoliert? Manchmal ist das beabsichtigt. Vermüllung heißt, daß es einem Menschen nicht mehr gelingt, Struktur zu schaffen, Dinge zuzuordnen, Entscheidungen zu fällen. Das Chaos der Dinge kann auch ein Nest sein. Und Protest. Als Musik wählte die Regisseurin Sibylle Trost „Always Look On The Bright Side Of Life“ von den Monty Pythons. Das ist schon etwas makaber. Zumal Trost ja durchaus Mitgefühl für ihre „Messies“ aufbringt.
Die „Messies“ treffen sich wie Trinker in anonymen „Messie-Gruppen“ und haben sogar eine eigene Zeitung. Keine Tragik, die nicht auch ihren eigenen Kreislauf schaffen und Profit abwerfen würde. Daher noch einmal: makaber. Anke Westphal
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