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Licht am Ende des Tunnels?

■ Ist die Bahn ein „cooles Produkt“? Neuerdings bewegt sich Wim Wenders als Werbefilmer in den Gleisen der Deutschen Bahn AG

Eine junge Frau sitzt mit geschlossenen Augen im Zug. Ansagen hallen durch den Bahnhof, ein Zug röhrt vorbei, zischend schließen sich die Türen. „Hey, das sind coole Sounds...“, denkt sich die junge Frau mit den türkisen Augenbrauen. Zeitgleich setzt ein schlapper Techno-Beat ein, und im nächsten Moment tanzt Marusha glückselig zwischen den Sitzen des Regionalzugs. So werden Hits gemacht. Was hier jugendgerecht präsentiert wird, sind keine Szenen aus dem nächsten Interregio-Rave, sondern das neue Gesicht der Deutschen Bahn.

Hinter diesem Gesicht steckt – man sieht es wirklich nicht – kein geringerer als Wim Wenders himself. Der weltweit renommierte Regisseur findet, daß die Bahn „ein cooles Produkt“ ist, und gedachte daher, seinem filmischen Gespür für alltäglich-persönliche Situationen in fünf Werbespots für das schwer gebeutelte Unternehmen freie Fahrt zu lassen.

Mit dem Weltruf kamen auch die Prominenten, von Peter Scholl- Latour bis Günther Netzer, um sich als überzeugte Bahn-Fans zu outen. Und während in anderen Realitäten die Fahrgäste pro Abteil immer unzufriedener werden, zeigt Wenders, daß er der MTV- Generation an Schnitten pro Minute in nichts nachsteht. Echte Hollywood-Qualität tut sich auf, wenn Hardy Krüger in goldgelbes Licht getaucht wird, so als ob er einem gleich Karamelbonbons anbieten wollte.

Solch einen netten Weltenbummler hat man natürlich nicht nur aus Appetit auf Süßigkeiten gerne neben sich sitzen, gehört er doch zu den Typen, die unaufgefordert die tollsten Geschichten auspacken, während der ICE über abenteuerliche Schluchten rast. Das alte Flugzeug, das gerade aus dem Blickfeld des Zugfensters verschwunden ist, hat er sicher einmal selbst geflogen.

Fraglich bleibt nur, wem Krüger das erzählt, denn außer seinem Laptop sitzt da niemand an den sonst so heiß begehrten Tischplätzen. Also doch ein echter Wenders: Individuen, unbeachtet vom Rest der Welt, in weiten Reden so allein.

Um Sönke Wortmann beim Belauschen eines loriothaften Dialogs zu filmen, bedarf es nicht der Fähigkeiten, wohl aber der Reputation eines Wim Wenders. Die Scripts und Ideen zur Imagekampagne sind klassisch, also langweilig, für einen Regisseur von Weltklasse geradezu provinziell. Die lyrische Alltäglichkeit von Wenders- Filmen ist beim Quickie mit der Werbeindustrie verpufft. Prominente sind eben keine Engel und Zugstrecken nicht die Road to Nowhere. Uh-Young Kim

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