: Eingriff in die reine Routine
■ Eine Folge der SAT.1-Serie „Die Unbestechlichen“ von Dieter Wedel verletzt die Persönlichkeitsrechte von Kerstin Hagemann
Für reine Routine hielt Dieter Wedel die Dreharbeiten zu einer Folge der SAT.1-Serie „Die Unbestechlichen“, die im April 1998 ausgestrahlt wurde. Daß seine Filmproduktionsfirma „Corona GmbH“ und der Fernsehsender wegen der Episode verklagt werden würden, hatte er nicht erwartet.
Doch gestern mußte sich der Regisseur in der Angelegenheit vor dem Hamburger Landgericht verantworten. Der Grund für die Klage: Der Regisseur hat mit „Reine Routine“ die Geschichte von Kerstin Hagemann und des Bernbeck-Skandals verfilmt. Nur der Verlauf ihrer Geschichte war auf einmal ein anderer: Aus der Kämpferin für die Belange der Geschädigten wurde die Filmfigur Staudinger, eine Betrügerin.
Tatsächlich konnte Hagemann 1984 mittels eines Super-8-Filmes beweisen, daß sie vor einer Operation durch Prof. Dr. Dr. Dr. Rupprecht Bernbeck laufen konnte und erst seit dem Eingriff im Rollstuhl sitzen muß. In der Serie wird Staudinger jedoch nachgewiesen, daß sie den Film gefälscht hat, um ihren Anspruch auf Schadenersatz geltend zu machen. Dies könnte man noch für einen filmischen Kniff halten, um die Geschichte spannend zu halten. Da aber der Rest der Folge sehr der Lebensgeschichte der Gründerin der Patienteninitiative ähnelt, wird der Eindruck erweckt, Kerstin Hagemann habe tatsächlich im Bernbeck-Skandal gelogen.
„Die Geschichte der Klägerin wird wiedererkannt“, befand gestern auch der Vorsitzende Richter der Zivilkammer 24, „sie ist aber in der Öffentlichkeit nicht mehr so präsent.“ Daraus leitete er die Gefahr ab, daß aus heutiger Sicht die ZuschauerInnen vermuten könnten, auch Kerstin Hagemann sei eine geldgierige Fälscherin. Das sei ein bedeutender Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte. Auf der anderen Seite wollte der Richter die Folge mit Blick auf die künstlerische Freiheit nicht verbieten, zumal sie „gut gemacht und kein Schund ist. Und wenn das Verbot durchkommt, ist der Film tot.“ Darum bat er die beiden Parteien, sich zu vergleichen. SAT.1 müßte demnach bei der weiteren Verwertung der Serie – durchaus üblich sind Wiederholungen und Verkauf an andere Fernsehsender – im Abspann deutlich machen, daß die Geschichte der Patienteninitiative abgewandelt wurde, „und das sicher nicht durch eine Wischi-Waschi-Erklärung à la die Personen und die Handlung sind frei erfunden“. Darüber hinaus soll der Sender oder die Corona GmbH an Hagemann Schadenersatz für die bereits erfolgte Ausstrahlung bezahlen. Die Kammer ließ außerdem keinen Zweifel daran, daß sie die Folge, gegen deren erneute Ausstrahlung bereits zwei einstweilige Verfügungen vorliegen, „aus dem Verkehr ziehen werde“, wenn die beiden Parteien sich nicht einigen.
Nun haben die Prozeßbeteiligten bis zum 19. Februar Zeit, zu diesem Vorschlag Stellung zu nehmen. Das Urteil selbst soll am 12. März verkündet werden.
Eberhard Spohd
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