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Deutscher Ausstieg spaltet Franzosen

■ Sechs Castoren sollen noch in diesem Jahr aus La Hague kommen. Wiederaufbereiter Cogema hat keine Ansprüche auf Entschädigung

Berlin (taz) – Frohlocken und hörbares Zähneknirschen: So unterschiedliche Reaktionen hat in der französischen Regierung die Entscheidung der deutschen Kollegen, aus der atomaren Wiederaufbereitung auszusteigen, hervorgerufen. Der deutsche Entschluß zum Umgang mit spaltbarem Material spaltet die französische Regierung.

Sauer sind vor allem Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn und sein Staatssekretär Christian Pierret. Denn nach Angaben der staatlichen französischen Gesellschaft Cogema, die die Wiederaufbereitung durchführt, bedeutet der deutsche Ausstiegsbeschluß für das Unternehmen einen Verlust von etwa 30 Milliarden Francs, das sind gut 9 Milliarden Mark oder 4,5 Milliarden Euro. Und Atomausstiegsminister Trittin beharrt darauf, daß weder die deutschen Energiekonzerne noch die Bundesregierung verpflichtet sind, für diese Verluste einen Ausgleich zu leisten.

Die Verträge zwischen Cogema und ihren deutschen Kunden scheinen dem Minister recht zu geben. Die französische Tageszeitung Le Monde veröffentlichte in ihrer Sonntagsausgabe Auszüge aus den Verträgen. Darin heißt es, Ausgleichszahlungen würden nicht fällig, wenn die Wiederaufbereitung durch „höhere Gewalt“ beendet würde. Als Fall der höheren Gewalt nennt das Vertragswerk ausdrücklich auch „Regierungsmaßnahmen“.

Kopfzerbrechen bereiten den französischen Freunden der Atomkraft aber wohl nicht nur die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen der deutschen Politik. Denn die deutsche Atomausstiegspolitik wird den französischen Kernkraftgegnern enormen Auftrieb verleihen. Das vermutet jedenfalls die französische Tageszeitung Liberation. Die deutsche Regierungskoalition habe in drei Monaten mehr bewegt in der öffentlichen französischen Debatte um den Atomausstieg als die französische Umweltbewegung, meint das Blatt. Und so macht die französische Umweltministerin Dominique Voynet, einzige Grüne in der Regierung, keinen Hehl aus ihrer Genugtuung über den Ausstiegsbeschluß von „jenseits des Rheins“.

Zur Überraschung und zum Leidwesen der französischen Atomlobby ist die Frage, ob der deutsche Ausstieg stattfinden wird, inzwischen eindeutig beantwortet. Nun sind die Modalitäten des Ausstiegs zu verhandeln. Soweit Frankreich betroffen ist, wird sich damit eine auf dem Potsdamer Gipfel eingerichtete deutsch-französische Arbeitsgruppe beschäftigen. Aus der Umgebung von Staatssekretär Pierret verlautete nach Angaben von Liberation, daß zur Frage der Rücknahme des im französischen La Hague lagernden deutschen Atommülls schon eine Einigung mit den Deutschen erzielt worden sei. Noch in diesem Jahr sollen sechs Behälter zurückkommen und von 2000 an zwei Transporte pro Jahr nach Deutschland gehen. Percy Ehlert

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