: Viel zuviel Atommüll für viel zu wenige Müllbehälter
■ In den nächsten Jahren müssen Hunderte Atombehälter durch Deutschland gefahren werden
Auf den ersten Blick sind es Hunderte von Castor-Behältern, die da im Zuge des Verbots der Wiederaufarbeitung auf die bundesdeutschen Zwischenlager in Gorleben und Ahaus zukommen. Da lagern im französischen La Hague Glaskokillen – eingeschmolzene Abfälle aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente. Sie füllen allein hundert Castoren oder deren französisches Gegenstück TS 28V. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hat jetzt gerade noch einmal die Verpflichtung Deutschlands zur Rücknahme dieser Abfälle betont. Die 500 Tonnen Brennelemente, die unaufgearbeitet in Großbritannien lagern und ebenfalls zurückgenommen werden müßten, füllen noch einmal 50 der derzeit größten Castor-Typen. Da auch die standortnahen Zwischenlager an den deutschen Atomkraftwerken, die Rot-Grün obligatorisch machen will, erst in Jahren fertigestellt sein können, sollen Gorleben und Ahaus zudem die abgebrannten Brennelemente aufnehmen, die in den kommenden Jahren in den Atomkraftwerken anfallen. Etwa 450 Tonnen hochradioaktiver Müll produzieren die 19 bundesdeutschen Reaktoren jedes Jahr. Genug, um damit jährlich weitere rund fünfzig Castoren zu füllen.
Auf einen derartigen Boom bei den Castoren ist allerdings nicht einmal der Hersteller, die Essener Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), eingestellt. Ganze 30 der Atomüllbehälter werden dort jährlich auf Bestellung gefertigt. Eine Ausweitung der Produktion auf etwa 50 sei schnell möglich, heißt es bei dem Unternehmen. Auf den Rücktransport von Brennelementen aus Frankreich oder Großbritannien sei man allerdings bisher nicht eingestellt. Über eine mögliche Ausweitung der Castor-Herstellung werde erst nach den Konsensgesprächen zwischen Bundesregierung und AKW-Betreibern entschieden. Allerdings plagen die GNS zur Zeit auch noch ganz andere Sorgen. Seit bei einem Castor- Test in einer Deckeldichtung Wasser gefunden wurde, gilt die Langzeitsicherheit der Behälter als nicht mehr gegeben. Im Gorlebener Zwischenlager dürfen momentan überhaupt keine weiteren Brennelementbehälter eingelagert werden, bevor nicht die Korrosionsgefahren beseitigt sind. Eine Expertenrunde im Bundesamt für Strahlenschutz hat sich im vergangenen Monat auf ein umfangreiches Test- und Untersuchungsprogramm geeinigt, mit dem den Zweifeln an der Castor-Langzeitsicherheit weiter nachgegangen wird.
Beladungen von Behältern dürfen aufgrund der derzeitig geltenden Prüfvorschriften nicht stattfinden, heißt es in einem Brief von Niedersachsens Umweltminister Jüttner an die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg unzweideutig. Die Castoren, auf denen das gesamte Entsorgungskonzept von Rot-Grün mit dezentraler Zwischenlagerung statt Wiederaufarbeitung beruht, sind damit zur Zeit nicht einsatzbereit.
Trotzdem haben sich die Ministerpräsidenten Clement (NRW) und Glogowski (Niedersachsen) vorsorglich mit der Bundesregierung angelegt. Sie sprachen sich am Wochenende gegen Castor- Transporte in ihre Länder aus. Niedersachsen allerdings ruderte gestern schon wieder zurück. Innenminister Heiner Bartling (SPD) mußte nach harscher Kritik aus Bonn einräumen, daß die Bundesregierung letztlich das Sagen hat. „Rechtlich werden wir gegen die Transporte nichts sagen können. Die Frage ist nur, wie wir das den Menschen im Wendland erklären. Ich hoffe nur, daß die Bundesregierung nicht allzu hektisch wird“, sagte Bartling.
Wann es mit den Transporten losgehen könnte, wissen freilich weder Bartling noch die Bundesregierung zu sagen. Laut Bundesumweltminister Trittin stehen sechs Behälter bereits seit mehr als einem Jahr fertig beladen zum Abtransport nach Deutschland bereit. „Ich rechne in dieser Legislaturperiode mit deren Ankunft“, sagte Trittin. Wann der große Rest kommt, will niemand verraten.
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