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Ausländische WAA-Betreiber verlangen ebenso wie deutsche Konzerne Milliarden-Entschädigungen, wenn die Wiederaufarbeitung verboten wird. Sind die Forderungen berechtigt? Und wie viele Atomtransporte kommen auf Deutschland zu? Von Jürgen Voges und Reiner Metzger

Der nächste Castor kommt bestimmt

Es bleibt spannend beim Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung. Nachdem klar ist, daß die Bundesregierung binnen eines Jahres der Plutoniumgewinnung in Deutschland und damit zu einem gewissen Grad auch in England und Frankreich ein Ende bereiten will, versuchen alle Beteiligten, möglichst gut aus dem Geschäft herauszukommen.

Allen voran dampft die Cogema, der mehrheitlich staatseigene französische Plutoniumkonzern. Sie betreibt die Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague am Ärmelkanal und bekräftigt täglich ihren Anspruch auf rund neun Milliarden Mark Schadensersatz. Als Begründung berief sich die Cogema gestern ausdrücklich nicht mehr auf die Verträge mit den deutschen AKW-Betreibern, sondern auf ein internationales Abkommen vom August 1990 zwischen Deutschland und Frankreich. Darin heißt es, daß beide Regierungen den deutschen Stromkonzernen keine Hindernisse beim Zugang zu La Hague in den Weg legen. Diese Vereinbarung sei ausschlaggebend für Entschädigungszahlungen – und nicht die Formulierung, nach der bei „höherer Gewalt“ keine Zahlungen zu leisten seien. Dieser Begriff ist in den Verträgen zwischen Kraftwerks- und WAA-Besitzern enthalten.

Die Bundesregierung versucht diese Klippe zu umschiffen, indem sie das neue Atomgesetz nicht selbst in den Bundestag einbringt, sondern über ihre Fraktionen in das Gesetzgebungsverfahren schleust. Damit stammt das Gesetz offiziell vom Parlament und nicht von der Regierung. So kann diese anschließend argumentieren, daß sie sich nur dem Willen der Volksvertreter gebeugt habe – und das Parlament hat den Vertrag nie ratifiziert. Ähnliches würde für die Argumentation mit der britischen WAA in Sellafield gelten.

Es geht um enorme Mengen strahlenden Materials. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums sind nach Großbritannien bisher insgesamt 560 Tonnen abgebrannter Brennelemente geliefert worden. Dies entspricht gut tausend Brennelementen. Tatsächlich wiederaufgearbeitet wurden jedoch bisher lediglich 60 Tonnen. Es lagern an der Irischen See also wesentlich mehr als jene 450 Tonnen abgebrannte Brennelemente, die jedes Jahr ohnehin in allen bundesdeutschen AKWs anfallen.

Eine ähnlich große Menge, nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums zwischen 400 und 800 Tonnen, wartet in Frankreich auf die Wiederaufarbeitung. Greenpeace vermutet sogar, es seien über 1.000 Tonnen. 3.000 Tonnen sind bereits wiederaufgearbeitet und warten auf den Rücktransport nach Deutschland. Ein Transportbehälter befördert etwa zehn Tonnen. Allein für den Rücktransport des wiederaufgearbeiteten Materials wären also rund 300 Stahlcontainer notwendig. Bezahlt haben die deutschen Unternehmen die Wiederaufarbeitung dieser Brennelemente bereits jetzt, so der Viag- Vorstandschef Simson.

Die Preise für die Wiederaufarbeitung in Frankreich sind zweistufig: Nach Expertenmeinung kostet die Tranche von bisher in die WAAs geleiteten Brennelementen 2.400 bis 3.000 Mark pro Kilogramm. Mit diesem Preis bezahlen die deutschen und japanischen AKW-Besitzer und damit auch die Stromkunden praktisch die Baukosten der Plutoniumfabrik Nummer drei in La Hague. Die anstehenden Lieferungen für die nächsten Jahre sollten der Cogema 1.600 bis 1.800 Mark pro Kilo bringen. „Davon hatte sich die Cogema den eigentlichen Profit erwartet“, meint Roland Hipp, der Leiter des Energiebereichs bei Greenpeace. Der nach Angaben der AKW-Industrie bereits im voraus bezahlte Wiederaufarbeitungspreis der in Großbritannien lagernden 500 Tonnen liegt bei insgesamt etwa bei 2,5 Milliarden Mark – 5.000 Mark pro Kilo.

Dieses Geld wollen die Wiederaufarbeiter behalten. Deshalb fühlen sich auch die deutschen Atomstromkonzerne von den Ausstiegsplänen geschädigt. Auf fünf bis sieben Milliarden Mark beziffert PreussenElektra-Chef Hans-Dieter Harig bei einem Verbot der Wiederaufarbeitung den Schaden. Diese Summe ergibt sich auch aus den noch in England und Frankreich lagernden Brennelementen, die noch nicht verarbeitet worden sind.

Der Entwurf für das neue Atomgesetz will nicht nur die Lieferung weiterer Brennelemente nach Frankreich und England ab Beginn des nächsten Jahres verbieten. „Bereits zum Zwecke der Aufarbeitung abgegebene und noch nicht aufgearbeitete bestrahlte Kernbrennstoffe sind ab diesem Zeitpunkt über die erforderliche Zwischenlagerung der direkten Endlagerung zuzuführen“, heißt es in der rot-grünen Vorlage. Die noch im Ausland lagernden nicht verarbeiteten Brennelemente müssen also von den Krafwerksbetreibern zurückgeholt werden.

Alle Verträge, die die Stromindustrie abgeschlossen hat, enthalten eine Klausel, nach der diese bei „höherer Gewalt“ hinfällig sind. Die AKW-Betreiber können also bei einem gesetzlichen Verbot bereits gezahlte Wiederaufarbeitungsgebühren zurückfordern. Auch die Strafen, die in den neuen Verträgen bei Nichterfüllung vorgesehen sind, werden demnach bei einem gesetzlichen Verbot nicht fällig. Doch vor Beginn der Konsensgespräche zwischen Stromkonzernen und Bundesregierung um die Restlaufzeiten der deutschen Atomkraftwerke wollen die Kraftwerksbetreiber dieses Argument nicht aus der Hand geben. Nächste Woche findet das erste Treffen statt.

Es bleibt das Problem, daß Frankreich im deutschen Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft einen unfreundlichen Akt sieht. Das sah schon vor Jahren der damalige CDU-Umweltminister Töpfer als das eigentliche Problem an. Hier gibt es nun die Idee eine Kompensierungsangebots. Sowohl die Bundesregierung als auch Organisationen wie Greenpeace haben der Cogema eine Alternative vorgeschlagen. Statt den deutschen Atommüll wiederaufzuarbeiten, sollten sie die strahlenden Brennstäbe gleich endlagerfähig in Stahlbehälter verpacken – gegen die entsprechenden Gebühren, die der Cogema den Abschied von deutschen Brennstäben versüßen.

Ärgerlich bleibt für Roland Hipp von Greenpeace bei der ganzen Diskussion eines: „Da wird ein unheimlicher Druck um angebliche Schadensersatzforderungen aufgebaut. Doch die Ungeheuerlichkeiten vor Ort rund um die WAA spielen keine Rolle in der derzeitigen Diskussion – vom Plutonium in den Staubsaugerbeuteln bis zu den radioaktiv verseuchten Gärten.“

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