: Kein City mehr in der City
■ Die Bremer Kinolandschaft wird karger: Das City soll ein Sportcafé werden. Die Zukunft des Europa ist ungewiß
Jetzt gibt es die ersten Opfer der CinemaxX-Eröffnung vor etwas mehr als acht Monaten, die wehtun. Den Stern-Kinos in der Carl-Ronning-Straße, die im April die Pforten schlossen, hat wohl keiner eine Träne nachgeweint. Aber wenn es jetzt dem kleinen Kinokomplex City/Europa mit seinen vier Leinwänden an den Kragen geht, gibt das Grund zum klagen. Das Europa ist eindeutig das schönste Kino der Stadt, aber das alleine zahlt die Miete nicht.
Die Kinos in direkter Nähe zum CinemaxX merken dessen Sog auf die KinogängerInnen am meisten. Aber während das UT-Kinocenter und der UFA-Palast überregionalen Kinoketten gehören, die die Verluste in Bremen mit ihren eigenen neuen Großkinos in anderen Städten auffangen können, stehen die lokalen Kinobetreiber mit dem Rücken zur Wand. Manfred Brocki und Heinz Rigbers können das City und das Europa nicht so weiterführen wie bisher. Und mit Jens Eckhoff, Hermann Pölking-Eiken und Heiner Hellmann haben sich altbekannte hanseatische Unternehmer gefunden, die die beiden Häuser mit einem anderen Konzept weiterführen wollen.
Es ist noch kein Vertrag unterschrieben, aber geplant ist, das City zu „entkernen“, und aus den Räumlichkeiten ein Sportcafé nach dem Vorbild der „Allstars Cafés“ in den USA zu machen. Auf vielen Fernsehern soll man dann an der Bar oder am Kneipentisch Live-Übertragungen von Sportveranstaltungen sehen können, und im Idealfall würde eine berühmte Persönlichkeit des Sports dem Etablissement mit seinem Namen Glanz verleihen – „Rehagels Café“, „Boris Beckers Tennis-Club“ oder so ähnlich. Das Europa soll in seiner ganzen Schönheit erhalten bleiben. Die dafür erforderlichen klärenden Gespräche mit der Vermieter Hans-Theodor Heiligers laufen allerdings noch. In erster Linie sollen in diesem neuen Sportcafé mit dem Beamer Fernsehbilder von Großereignissen auf die Leinwand geworfen werden. Aber es ist auch geplant, weiterhin Kinofilme zu zeigen. Aber ob dies aktuelle Streifen, Repertoire- oder Filmreihen sein werden, kann heute noch niemand sagen. Wenn dieses Konzept verwirklicht würde, liefen im Europa bis zum Ende der Umbauphase in einem halben Jahr noch weiter unter der Leitung von Rigbers und Brocki aktuelle Filme. Wenn die Pläne scheitern, müssen die beiden nach eigener Aussage in vorraussehbarer Zeit die Kinos sang und klanglos schließen.
Ansonsten ist die Lage von Brocki und Rigbers gar nicht so schlecht wie im Vorfeld der CinemaxX-Eröffnung befürchtet wurde. Durch den riesigen Erfolg des Films „Titanic“, den CinemaxX-Betreiber Hans-Joachim Flebbe in Bremen um einige Monate verpaßt hat, sieht die Bilanz des letzten Jahres gut aus. In die Schauburg kamen 1998 etwa 100.000 zahlende BesucherInnen, gerademal 300 weniger als im Jahr davor.Die ebenfalls im Besitz von Brocki und Rigbers befindlichen Kinos Gondel und Atlantis haben durch ihr Filmkunstangebot ihr Stammpublikum, und nachdem im Filmstudio verschiedene Strategien ausprobiert wurden, scheint das jetzige Format Erfolg zu haben. Am letzten Wochenende sahen sich dort nach Auskunft von Brocki etwa 1.000 BesucherInnen für jeweils fünf Mark acht Filme an, die nicht mehr ganz neu sind und gerade aus den Erstaufführungskinos verschwunden sind. Leider werden sie nicht mehr in den Originalfassungen gezeigt, die wollten die BremerInnen nicht in genügender Zahl sehen.
Sollte das Europa tatsächlich zumachen müssen, haben es die Bremer KinogängerInnen im Grunde nicht besser verdient. Denn im direkten Vergleich mit dem CinemaxX kann man einen Film dort genauso groß, mit dem gleichen High-tech-Sound und in einem angenehmeren Ambiente erleben.
Hoffentlich ist das „Europa“ nicht bald auch solch ein Mythos unter den Bremer Cineasten wie das „Regina“, das grandiose 70mm-Kino mit einer der größten Leinwände Norddeutschlands, das in den 80ern zugemacht wurde. Mit seinem 50er Jahre Nierentischde-sign hätte es eigentlich unter Denkmalschutz gestellt werden müssen. Heute haust dort ein Supermarkt. Aber fürs Europa besteht ja noch Hoffnung. Wilfried Hippen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen