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Ein Protagonist aus der Ära Kohl

Erst mit der „geistig-moralischen Wende“ stieg Günter Strack im deutschen Fernsehen auf. Gestern erlag der Schauspieler den Folgen seines Herzinfarkts. Ein Nachruf  ■ Von Klaudia Brunst

Schlank kann man ihn sich nicht vorstellen. Dabei gab er in Hitchcocks „Zerrissener Vorhang“ ein buchstäblich schmächtiges Gastspiel als Stasi-Zuträger. Aber anders als Gert Fröbe, der noch als hagerer Otto Normalverbraucher in Erinnerung blieb, als man ihm die Wirtschaftwunderjahre schon deutlich ansah, bleibt Günter Strack für immer die televisionäre Personifizierung des Dicken und Gemütlichen. Einmal, so erzählte er gerne, habe er mit der Gewichtsreduzierung wirklich Ernst gemacht. Aber mit den Pfunden schwanden auch die Rollenangebote. Dünn sei er nicht gefragt.

So kultivierte der 1929 geborene Darmstädter eben sein Hessisch und bot sich als genußbereiter und bodenständiger Gemütsmensch an – eine Sparte, die ihm im Fernsehen lange Zeit allein gehörte. Mit Theater- und Synchronrollen (u. a. Orson Welles und William „Cannon“ Conrad) hatte er sein Auskommen.

Erst mit Herlmut Kohls „geistig-moralischer Wende“ Anfang der Achtziger kam auch für Strack der Durchbruch. Jetzt sprach der Zeitgeist ganz für ihn. Das ZDF präsentierte Strack seit 1981 als Anwalt Renz in der Krimi-Reihe „Ein Fall für zwei“. An seiner Seite stand Klaus Theo Gärtner, der als Privatdtektiv Matula mit schwarzer Lederjacke und schmuddeligen Jeans den ausgestiegenen Polizisten gab. Das ungleiche Paar funktionierte prächtig, denn im Herzen waren beide der gleichen christdemokratischen Moral verpflichtet. Strack versöhnte die bisher nebeneinanderher existierenden ZDF- Publika, die vom Wochenendkrimi entweder Action oder Psychodrama erwarteten. Dieser Dr. Renz hatte seinen Eid auf den Staat geschworen und vertrat ganz traditionell Recht und Gesetz. Aber wo ihm seine Zulassung im Weg stand, schickte er Matula über Zäune und andere Grenzen. Damit das „Geistig-Moralische“ zu seinem Recht käme.

Dann schrieb ihm ein anderer berühmter Darmstädter die Rolle seines Lebens auf den Leib. Robert Stromberger, der bereits Inge Meysel in den „Unverbesserlichen“ zur Mutter der Nation gemacht hatte, erfand für das ZDF die Familienserie „Diese Drombuschs“. Bis in die Neunziger brillierte Strack als „Onkel Ludwig“, der mit stoischer Beharrlichkeit seine beschauliche Vorstellung vom Glück durchsetzen will. Mal großkotzig, mal verzagt, phasenweise als eitel verliebter Gockel oder dann wieder als sentimentaler Endfünfziger will Onkel Ludwig doch nur das eiserne Herz der gestrengen Witwe (Witta Pohl) erobern und ihre auseinanderfallende Familie – sein wichtigster Halt – einen.

Von Staffel zu Staffel verstrickte sich die Serie immer mehr in konservative Restaurationsbemühungen, und so wunderte es niemanden, als Günter Strack 1989 den Onkel Ludwig ad acta legte und in die Rolle des katholischen Geistlichen Dr. Adam Kempfert schlüpfte. Der regiert seinen heillos verlotterten Sprengel wie der Kanzler sein Land: mit Saumagen- Gefühligkeit und ländlichem Machtinstinkt.

Zwar klagten Puristen noch, daß Strack in „Mit Leib und Seele“ nicht davor zurückschreckte, in vollem Ornat vor dem Tabernakel auf und ab zu wandern. Aber den Zweiflern genügte der offizielle Hinweis, daß der Schauspieler das Sakrament letztlich nicht antastete. Stracks Popularität war auf dem Höhepunkt, sogar die katholischen Bischöfe glaubten, davon profitieren zu können, und gaben der Serie ihren Segen.

In den letzten Jahren ist es ruhiger geworden um Strack. Für Sat.1 stand er noch als „Der König“ vor der Kamera. Dort variierte er abermals seine televisionäre Gesamtgestalt, nun als Hobbywinzer und Kriminaler a. D. Aber ein Schlaganfall hatte Stracks Gesundheit 1996 so nachhaltig angegriffen, daß er sich größere Auftritte kaum mehr zumuten konnte. Anfang des Jahres löste Sat.1 seine Verträge mit Strack. In der Nacht zum Dienstag erlag er 69jährig den Folgen seines Herzinfarkts.

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