: Planlose Hetze durch die Stadt
taz-Serie: Jogging-Routen in Berlin (Teil 1). Weder Landesportbund noch „Partner für Berlin“ können Läufern helfen, die in Berlin gute Strecken suchen. Wo's läuft, weiß ■ Martin Krauß
Nach einer Läuferkarte fragt man in Berlin vergebens. Es gibt zwar Inlineskater- und Radfahrerkarten, literarische Wanderwege und antifaschistische Stadtführungen mit Begleitmaterial, aber einen Stadtplan, auf dem die besten und interessantesten Joggingstrecken eingetragen sind, gibt es einfach nicht. Merkwürdigerweise sehen weder die Firma „Partner für Berlin“, die privatwirtschaftlich das hiesige Fremdenverkehrsamt beerbt hat, noch der Landessportbund, der ja selbst in der läuferfreundlichen Gegend nahe dem Olympiastadion residiert, noch der Leichtathletikverband einen Bedarf für ein solches Angebot.
Dabei ist anderswo, in etwas zivilisierteren Gegenden, ein solcher Service sehr üblich: unter dem Namen „Central Park running map“ kann man in New York beispielsweise eine Läuferkarte beinah überall kaufen. Aber für Berlin hat selbst das Internetverzeichnis „Run The Planet“, das sogar für Bethlehem und Füssen Laufstrecken ausfindig gemacht hat, keinen Eintrag zu bieten. Nur die Stadt selbst hat einen Link, glauben doch die Macher wohl selbst nicht, daß es hier derart trist sein soll (http:// www.runtheplanet.com). Immerhin, ein speziell für Berlin erstelltes Verzeichnis, das noch recht jung ist (http://www.berlin.de/new/KuF/ Sport/Entertainment/Fanecke/ Joggen/index.html), kann zwar einige, wenn auch nicht allzu viele Joggingstrecken benennen: Gerade mal drei – Hasenheide, Plänterwald und Britzer Garten – werden einigermaßen nachvollziehbar und praktikabel vorgestellt.
Wo man in Berlin, das doch sonst gerne mit den Metropolen mithalten möchte, joggen soll, ist ein Problem, aber kein neues. Schon der Profiboxer Hans Breitensträter, als „blonder Hans“ vor dem Schauspieler Hans Albers einer der ersten großen Stars der Weimarer Republik und boxerisch der Vorläufer von Max Schmeling, stand vor dieser Frage. „Ich bin ein leidenschaftlicher Läufer“ bekannte er 1923, „und wenn ich morgens früh oder abends um acht nach dem Essen auf die Charlottenburger Chaussee komme und die schöne lange Allee durch den Tiergarten vor mir sehe, befällt mich jedesmal die Lust zu einem kräftigen Dauerlauf. Und den kann ich selbst im Tiergarten nicht machen. Die Leute würden sich sehr wundern oder mich womöglich für einen entsprungenen Zechpreller oder Kleiderräuber halten und die Sipo wäre hinter mir her und würde am Ende schießen.“ Hans Breitensträter bezog ein Trainingslager im brandenburgischen Biesenthal, zwischen Bernau und Eberswalde gelegen, und nur einen Spaziergang entfernt trainierte Breitensträters Berufskollege Max Schmeling.
Als die Mauer stand, trainierten Westberlins Sportler woanders. Der Boxer Gustav „Bubi“ Scholz etwa in den fünfziger Jahren im Grunewald, was für ihn ein leichtes war, denn er wohnte nahe dem Teufelsberg, der nördlich den Grunewald abschließt.
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