: Freudlos hasten die Jäger
■ Warum eigentlich ruft RTL jetzt einen Mystery-Boom aus, der längst schon vorbei ist?
Die Trailer posaunen es schon seit Wochen hinaus: Mit „Operation Phoenix“ stehe die erste deutsche „Mystery“-Serie bevor. Gemach, möchte man einwenden, denn bricht dergleichen PSIpapo nicht in regelmäßigen Zyklen über uns herein? Man nannte es seinerzeit noch nicht „Mystery“, aber Rainer Erlers „Das blaue Palais“ erfüllte bereits Mitte der 70er Jahre alle Kriterien dieses Genres. Zeitgleich ging ein gewisser Uri Geller um, die ARD verstieg sich zu einer ziemlich peinlichen „Astro-Show“, und Penny McLean wechselte vom Discogesang zur Esoterik.
In Bälde werden die ersten 90er-Jahre-Revival-Partys vonstatten gehen, und in diesem Zusammenhang gehört der „Mystery“-Boom thematisiert. Jetzt noch mit einer „Mystery“-Serie aufzuwarten, sie gar, wie RTL-Redakteurin Barbara Thielen, als ein „für Deutschland völlig neues Format“ abzufeiern, hat da beinahe schon etwas Gestriges, zumal das Produkt wenig überzeugend geraten ist.
Freudlos hasten die „Jäger zwischen den Welten“ durch die immerhin gediegen angerichteten Szenerien. Drei grämliche Angestellte sind sie, ohne Schrullen, Gewohnheiten oder gar Leidenschaften; unbeteiligt leiern sie ihre Sätze herunter, ohne daß auch nur einmal der Funke eines funktionierenden Zusammenspiels spürbar würde.
Die ihnen gestellten Aufgaben sind alles andere als originell, einzelne Ideen zusammengeklaubt aus phantastischen Filmen und Serien, die Abläufe vorhersehbar. Das Ganze läßt die liebenswerte Versponnenheit und die milde Ironie, die eine Serie wie „Akte X“ auszeichnen, vermissen. Vor allem aber fehlt ihr das episodenübergreifende Ungewisse, inzwischen ein wesentliches Charakteristikum dieser Gattung, das die dramaturgischen Möglichkeiten erweitert und der erwünschten Zuschauerbindung zuträglich sein kann.
Noch selten ist es gelungen, ausländische Vorlagen überzeugend auf deutsche Verhältnisse zu übertragen. Der Warnruf „FBI!“ klingt einfach besser als „BMI!“. Dennoch widmet sich RTL derzeit mit Hingabe der Produktion von Reprisen und Remakes. Das TV-Movie „Das Biest im Bodensee“ (31.1.) bevölkert nach dem Vorbild von US-Filmen wie „Creature – Tod aus der Tiefe“ deutsche Binnengewässer mit mutierten Ungetümen. Flossen anlegen heißt es auch für die Ermittler der RTL- Produktion „Hamburg – Stadt in Angst“ (26.1.), deren Grundzüge offensichtlich dem niederländischen Thriller „Amsterdamned“ entlehnt wurden.
Hingegen ist die für den Herbst angekündigte Serie „Geisterjäger John Sinclair“ trotz des englischen Namens der Titelfigur eine einheimische Kreation. Ein erster TV- Film wurde bereits ausgestrahlt und war mit seiner konsequent comic-haften Stilisierung vielleicht nicht jedermanns Sache, aber immerhin von halbwegs eigenständiger Machart. Die Produzenten wären gut beraten, wenn diese Tugend auch in der Serie wirksam wird. Harald Keller
„Operation Phoenix“, heute, 21.15 Uhr , RTL. Weitere neun Folgen dann donnerstags, 21.15 Uhr, RTL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen