: Alter Streit um Naumanns neues Mahnmal
■ Die Debatte um das Berliner Holocaust-Mahnmal geht in die Verlängerung. Trotz des neuen Entwurfs meldet der Bundestag weiteren Diskussionsbedarf an
Berlin (taz) – Am Wochenende hatte es für den Staatsminister für Kultur, Michael Naumann (SPD), noch gut ausgesehen. Er hatte zur allgemeinen Überraschung den New Yorker Architekten Peter Eisenman dazu bewogen, ein neues Modell für ein Holocaust-Mahnmal in Berlin anzufertigen. Dieser Entwurf kombiniert Eisenmans Stelenwald-Denkmal mit einem Dokumentationszentrum, das Museum, Bibliothek und Forschungsstätten beherbergen soll. Der neue Eisenman-Entwurf schien konsensfähig, weil er die beiden wesentlichen Vorbehalte gegen das Mahnmal entschärfte: Er ist kleiner als zuvor und wirkt weniger monumental; und er fügt dem künstlerischen Entwurf didaktische Elemente hinzu.
Doch nun regt sich heftige Kritik. Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der bündnisgrünen Fraktion, erklärte gestern, Naumanns Dokumentationszentrum raube dem Mahnmal die „Eindringlichkeit“. Im übrigen sei die Notwendigkeit des Dokumentationszentrums fraglich, weil „doch zwei Straßen weiter“, in der „Topographie des Terrors“, die NS-Verbrechen ausgestellt würden. Julius Schoeps, Leiter des Moses-Mendelsohn-Zentrums, bezweifelt, daß man überhaupt genug Exponate für das neue Museum habe. Skeptisch äußerte sich die Vorsitzende des Bundestags-Kulturausschusses, Elke Leonhard (SPD). Unterstützung für Naumann kam gestern nur von Michel Friedman (CDU), der das Modell für akzeptabel hält. Der SPD-Fraktionschef Peter Struck bekräftigte, daß eine Mehrheit für Naumanns Idee nicht in Sicht sei. Im Gegenteil, die CDU/CSU neige offenbar dem alten, von Kohl unterstützten Eisenman-Entwurf zu, der kein ergänzendes Museum vorsieht.
Offen ist nach wie vor das Procedere der Entscheidung des Parlaments. Es zeichnet sich freilich ab, daß nicht, wie noch kürzlich vermutet, nur über den Naumann/Eisenman-Entwurf abgestimmt wird. FDP-Chef Wolfgang Gerhardt will auf jeden Fall einen Gegenentwurf einbringen. Möglich scheint auch, daß neben den beiden Eisenman-Entwürfen auch die ursprünglich preisgekrönten Modelle von Gesine Weinmiller, Jochen Gerz und Daniel Libeskind zur Abstimmung kommen. Unklar ist auch, wann die Entscheidung im Parlament fallen soll. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprach gestern nur davon, daß die Entscheidung noch in diesem Jahr fallen solle. Das einzige, was feststeht: Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ist gegen alles: gegen Mahnmal, gegen Museum, gegen Mahnmal mit Museum.
Stefan Reinecke Tagesthema Seite 3
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