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Kein Konzert, Kantor fliegt

■ Wegen Verstoßes gegen das 7. Gebot wird Kantor von St. Magnus fristlos entlassen werden / Chorkonzert mit Frühjahrskantaten am kommenden Sonntag muß ausfallen

In der Kirche der Gemeinde St.Magnus in Bremen-Nord sollte am kommenden Sonntag das Weihnachtsoratorium Teil IV-VI gesungen werden, so steht es auf den Plakaten. Die Bremer Kammersymphonie ist engagiert, Karten sind bereits verkauft. „Das sind die Neujahrskantaten, das paßt sehr gut in das Kirchenjahr“, schwärmt der Kantor der Gemeinde, Michael Kristahn. Weiter will er sich nicht äußern.

Denn als der Kirchenchor am Dienstag abend zur Probe kam, wurde ihm von einem Mitglied des Kirchenvorstandes mitgeteilt: Das Konzert fällt aus, weitere Proben sind nicht mehr nötig. Der Grund: Der Kantor ist ab sofort suspendiert, ihm wurde die fristlose Entlassung angekündigt.

Für den Vorsitzenden des Kirchenvorstandes, Pfarrer Steinkopf, ist der Fall klar: „Du sollst nicht ehebrechen“ steht in Gottes Geboten. Und die Kirche sei ein „Tendenzbetrieb“, Mitarbeiter müßten für die Werte und Glaubensvorstellungen, die die Kirche verkündet, auch mit ihrer persönlichen Lebensweise einstehen. „Das trifft auf die Jugendreferentin genauso zu“, sagt der Pfarrer, der Kantor mit seiner musikalischen Arbeit und die Jugendreferentin seien „am stärksten an der Jugendabeit beteiligt“ und hätten eine Vorbildfunktion: „Da gibt es bestimmte Grenzen.“ Für den Pfarrer von St. Magnus geht es dabei „nicht um eine bestimmte Vorschrift“, sondern eben um Gottes Gebote.

„Ein Verstoß gegen das 7. Gebot ist garantiert kein Kündigungsgrund“, findet spontan die Sprecherin der Bremer Evangelischen Kirche (BEK), Sabine Hatscher. Die BEK hat allerdings formal mit der Sache nichts zu tun, die einzelnen Gemeinden sind rechtlich selbständige Arbeitgeber. Aus diesem Grunde sind auch in Bremen – anders als etwa in Niedersachsen – Versetzungen von Pfarrern oder kirchlichen Mitarbeitern nicht möglich, wenn zum Beispiel eine Scheidung die Gemeinde spaltet.

Der Kirchenchor hat sofort eine Unterschriftensammlung gestartet und Protest angemeldet. Nach mehr als einem halben Jahr der Probe ist die Absage des Konzertes hart. Der Vorwurf ist kaum nachvollziehbar: Daß in der Kantors- Dienstwohnung von St. Magni nur noch Frau und Kinder wohnen und der Kantor ausgezogen ist, konnte niemandem in der Gemeinde verborgen geblieben sein. „Vielleicht gefällt den Leuten im Kirchenvorstand sein modernes Orgelspiel nicht“, vermutet eine Chor-Sängerin. Nicht nachvollziehbar erscheint auch, wieso der Kantor nach der Ankündigung der fristlosen Kündigung noch am Mittwoch bei einer Beerdigung spielen sollte, also an einer Amtshandlung beteiligt sein durfte, am Sonntag aber nicht mehr das Konzert dirigieren darf. „Ich bedaure das sehr stark“, sagt der Vertreter der Kammersymphonie, Joachim Kluge. Das 20 Köpfe starke Orchester muß natürlich Honorar verlangen, wenn das Konzert so kurzfristig abgesagt wird.

Für den Kirchenvorstand ist die Absage des Konzerts eine Frage der arbeitsrechtlichen Konsequenz – fristlos gekündigt werden darf nur einer, dessen Beschäftigung nicht mehr zumutbar ist. Wenn das aber so sein sollte, dann wäre auch die Verpflichtung des Kantors für das Begräbnis ein arbeitsrechtlich relevanter Tatbestand, der die fristlose Kündigung rechtlich unwirksam machen könnte.

Unter den Kantoren in Bremen-Nord gibt es auch ganz andere Vermutungen, wenn ein Kantor gefeuert wird: „Das ist der vorgeschobene Grund“, sagt einer ganz spontan, „die haben kein Geld mehr“. Unter dem Spardruck wurde auch schon eine Küster-Stelle gestrichen, zwei Gemeinden müssen sich nun einen Küster teilen. Dieses Modell wäre auch für den Bereich der Kirchenmusik denkbar. K.W.

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