: Grüne empört über CDU-Kampagne
Umweltminister Jürgen Trittin wirft der CDU vor, Rassismus „wieder hoffähig“ zu machen. Beim grünen Länderrat wirbt der Ex-Parteisprecher für Rücknahme des Atommülls. Der Länderrat verliert an Bedeutung ■ Aus Bonn Bettina Gaus
Die bisherige Arbeit der rot- grünen Bundesregierung sollte auf dem Länderrat von Bündnis 90/Die Grünen in Frankfurt diskutiert werden – aber das, was die Gemüter wirklich erregte, war die Opposition: Die Unterschriftenkampagne der Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. „Wir Bündnisgrüne, wir schämen uns für diese infame Kampagne!“ rief die Parteivorsitzende Gunda Röstel an die Adresse der hier lebenden AusländerInnen gerichtet. Die Aktion entbehre „jedes politischen und moralischen Anstands“ befand ihre Amtskollegin Antje Radcke.
Ungewöhnlich emotional befaßte sich Umweltminister Jürgen Trittin mit dem Thema. Schon die Kampagne gegen das Asylrecht sei generalstabsmäßig organisiert gewesen, auch vom damaligen CDU- Generalsekretär Volker Rühe. „Am Ende dieser Kampagne stand der Mord- und Brandanschlag in Solingen.“ Jetzt werde der Rassismus „wieder hoffähig“ gemacht. Am Ende von Trittins Rede stand ein beschwörender Appell an die Union: „Beendet diese unselige, die Gesellschaft spaltende, die Gewalt in diesem Lande fördernde Kampagne so schnell es irgend geht!“ Donnernder Applaus. Die Furcht vor einer neuen Welle der Ausländerfeindlichkeit einte Basis und Parteiprominenz.
Letztere hatte sich allerdings rar gemacht. Auffallend wenig Gäste aus Bonn waren zum Länderrat angereist, und noch weniger harrten bis zum Schluß der Veranstaltung aus. Bislang hat der Parteirat, der künftig für eine schnellere Verständigung zwischen Bonn und anderen Ebenen der Partei sorgen soll, keine inhaltlichen Debatten geführt. Aber die Gründung des neuen Gremiums auf dem letzten Parteitag zieht bereits jetzt Folgen nach sich: Der Länderrat hat an Bedeutung verloren.
Grüne an Union: Beendet die unselige Kampagne
So blieb denn auch Außenminister Joschka Fischer der Veranstaltung fern, obwohl doch die Diskussion über das Europawahlprogramm seiner Partei ein Schwerpunkt des Länderrats war. Aber eben nur die Diskussion. Der „kleine Parteitag“ hatte keine Entscheidungen zu treffen, und das derzeit heikelste Thema blieb ausgespart. Eine Mehrheit der Delegierten beschloß, die Lage im Kosovo und einen möglichen Militärschlag gegen Jugoslawien mit deutscher Beteiligung nicht zu erörtern.
Breiten Raum in der Diskussion nahm dagegen der geplante Ausstieg aus der Atomenergie ein. Umweltminister Jürgen Trittin steht nicht nur seitens der Atomindustrie im Kreuzfeuer der Kritik – was ihr zu weit geht, geht Teilen seiner Partei nicht weit genug. „Ein Gesamtkonzept im Entsorgungsbereich“ forderte Rebecca Harms aus Niedersachsen ein. Sie fürchtet, „altes Flickwerk“ gehe weiter wie bisher. Hinsichtlich der Entsorgungsfrage sei „keine Transparenz hergestellt worden“.
Trittin hatte zuvor in seiner Rede versucht, parteiinterne Kritik zu entschärfen, ohne auf der anderen Seite das Klima im Vorfeld der Konsensgespräche mit der Energiewirtschaft aufzuheizen. Er forderte fest vereinbarte Restlaufzeiten für Atomkraftwerke: „Ohne daß dieses stattfindet, gibt es keine Genehmigung für Zwischenlager.“ Zur Dauer der Restlaufzeiten äußerte er sich nicht, wohl aber dazu, daß es langfristig nicht ohne Transporte gehe. Schließlich müsse Deutschland bereit sein, den eigenen Müll zurückzunehmen. Erst einmal soll aber geredet werden. Während der Konsensgespräche wolle er keine Entsorgungsnachweise in Frage stellen, kündigte der Umweltminister an, aber er erwarte auch, daß die Industrie so lange keine Transporte beantrage.
Noch nie seien in so kurzer Zeit so „klare und radikale“ Reformen eingeleitet worden, faßte Gunda Röstel die positive Grundstimmung zusammen. Die bitteren Pillen verteilte Fraktionschef Rezzo Schlauch, der die kritische Solidarität der Grünen-Basis einforderte.
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