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Rechtsextreme Machtkämpfe

■ Frankreichs Front National hat sich gespalten. Der rechte Chefideologe Bruno Megret ließ sich zum neuen Führer ausrufen. Für den Parteichef Le Pen ist die Wahl illegal Aus Marignane Stefan Brändle

Rechtsextreme Machtkämpfe

Wir zünden die zweite Stufe der Front-National-Rakete“: Mit diesem Anspruch hat Bruno Mégret am Wochenende auf einem Sonderparteitag im südfranzösischen Marignane einen Ableger der Partei Jean-Marie Le Pens gegründet. Die Spaltung der französischen Rechtsextremen ist damit vollzogen.

Bei den „Mégretisten“ verläuft alles etwas gesitteter: Sogar die gut tausend Linksgegner demonstrierten friedlich im Stadtzentrum der von der Front National (FN) regierten Kleinstadt Marignane nördlich von Marseille. Die 2.500 Kongreßdelegierten gaben sich neue Statuten und einen Verhaltenskodex, in dem sie jede Art von „Beschimpfungen und persönlichen Attacken“ verdammen. Adressat war natürlich Jean-Marie Le Pen, der seit Tagen Haßtiraden gegen seinen Herausforderer Mégret von sich gibt. Die meisten Kongreßredner, die zuvor Le Pen jahrelang zugejubelt hatten, kritisierten nun lauthals seine Chefallüren, seine Vetternwirtschaft und persönliche Bereicherung.

Le Pen, der die erste Front National vor knapp 30 Jahren gegründet hatte, bestritt am Sonntag aus Paris rundweg die Legitimität des Kongresses. Dabei hatte Mégret nach eigenen Angaben 18.000 Unterschriften für die Einberufung hinterlegt – nötig war nur ein Fünftel der 42.000 Parteimitglieder. Die „wahre und einzige“ FN stelle er selber dar. Die Mégretisten wählten den 70jährigen Le Pen auf dem Kongreß zu ihrem „Ehrenpräsidenten“, was in seinen Ohren wie Hohn klingen muß; durchsichtiges Ziel war es, den Kongreß damit als oberstes Parteiorgan hinzustellen.

Mégret erwähnte Le Pen am Rednerpult mit keinem Wort – seine ihm eigene Art, mit seinem ehemaligen Ziehvater abzurechnen. Er sagte bloß, er wolle keinen Personenkult betreiben. Vielleicht weil er es nicht kann: Fast verlegen nahm er die stehenden Ovationen der Delegierten entgegen, nachdem sie ihn mit 87 Prozent der Stimmen zu ihrem neuen FN-Chef gekürt hatten.

Seine einstündige Schlußrede war nicht gerade ein rhetorisches Feuerwerk. Zielscheibe waren vorab „les socialo-communistes“ in der Pariser Regierung; den enttäuschten rechtskonservativen Wählern bot Mégret großzügig die Hand.

Offen rassistische Sprüche hörte man auf dem Kongreß nicht, und Mégret verurteilte den Nazismus in einem Atemzug mit dem Kommunismus. Andererseits forderte er wie Le Pen die „Rückkehr der Immigranten zu sich nach Hause“. Von Journalisten zuvor gefragt, ob das auch für den algerischstämmigen Zinedine Zidane gelte, der Frankreich zum Fußball- WM-Titel verholfen hatte, druckte er sich um eine Antwort. Welch Unterschied zu Le Pen, dem brillanten Redner, der nie eine Antwort schuldig bleibt und der vorzugsweise die Rechten und Linken in einen Topf wirft. Seinen Ultranationalismus „würzt“ er gern mit rassistischen oder antisemitischen Sprüchen. Nur das Gedankengut – das ist bei beiden FN-Gewaltigen gleich.

Der Parteitag von Marignane machte deulich, daß es in Frankreich nicht nur den populistischen Rechtsextremismus Le Pens gibt, sondern auch eine gepflegtere Variante. Dieser zumindest stilistische Unterschied macht erst verständlich, warum sich die bisher stramm geeinte FN so abrupt spalten konnte.

Der Rechtsstreit um die Verwendung des Parteinamens und des Parteilogos – eine Flamme in den Nationalfarben – sowie um die Finanzen und den Pariser Parteisitz hat bereits begonnen. Nun steht die politische Ausmarchung an. Und da hat Mégret schlechte Karten. Er weiß zwar die Mehrheit des bisherigen Parteiapparates hinter sich: Zwei Drittel der FN- Departements-Sekretäre, mehr als die Hälfte der FN-Regionalräte sowie der Jugend-FN stehen zu ihm, genauso wie wohl die meisten Bürgermeister in den südfranzösischen FN-Städten.

Le Pen kontrolliert noch das Politbüro in Paris; der alte Kämpfe durcheilt nun aber bereits das Land, um in „patriotischen Diners“ die Parteibasis bei der Stange zu halten. Die bisherigen Wähler der Front National sollen laut Meinungsumfragen zu mindestens zwei Dritteln noch Le Pen die Treue halten.

Ersten Aufschluß über die politischen Chancen werden die Europawahlen im Juni geben. Le Pen, der bisher rund fünfzehn Prozent Wählerstimmen auf sich vereinigte, spottete noch am Wochenende, Mégret werde wohl ein Prozent Stimmen machen.

Mégret hofft hingegen, daß die beiden FN-Flügel zusammen aus dem „Ghetto der 15 Prozent“ – wie er gestern sagte – auszubrechen vermögen, wobei er auch die Entwicklung der österreichischen FPÖ vor Augen hat. Anders als Le Pen will er nicht nur im FN-, sondern auch im konservativen Wählerreservoir nach Stimmen für seine Partei fischen.

Die arg zerstrittene bürgerliche Opposition bietet an sich viel Angriffsflächen. Doch Mégret kommt womöglich zu spät: Maastricht- Gegner wie Philippe de Villiers, Erzgaullisten wie Charles Pasqua und dissidente Rechtsaußen wie Charles Millon haben bereits angekündigt, daß sie bei den nächsten Europawahlen eigene Listen präsentieren wollen. Sie lassen Mégret wenig Platz zwischen sich und Le Pen. Sie schotten die Bürgerlichen derzeit ab gegen den „Kuß des Teufels“, das heißt gegen das Bündnisangebot Mégrets. Doch der ehrgeizige 49jährige hat einen langen Atem. Einen längeren jedenfalls als Le Pen.

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