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Mittagstisch statt Hundefutter

Bundesweit erstes Vollzeit-Restaurant für Arm und Reich öffnet in Ottensen  ■ Von Heike Dierbach

Drei Striche, die einen Tisch skizzieren, darüber eine Tasse: Wenn sie diesen gezeichneten „Zinken“ an einer Tür entdeckten, wußten die Vagabunden Anfang des Jahrhunderts: Hier ist ein gastfreundliches Haus. „Das richtige Motto“, dachte sich das Planungs-team der Jugendhilfe Ottensen (JHO) und übernahm Symbol und Namen für ein ungewöhnliches Projekt: Zu Ostern eröffnet im ehemaligen Motte-Café in Ottensen „Zum kleinen Zinken“, das bundesweit erste Vollzeit-Restaurant mit nach Einkommen der Gäste gestaffelten Preisen.

„Die Idee kommt ursprünglich aus Paris“, erklärt Projektleiter Jörg Gillenberg. 1985 eröffnete dort ein Schauspieler das erste „Restaurant du Coeur“ (Restaurant des Herzens), von denen es mittlerweile zahlreiche in ganz Frankreich gibt. In Deutschland betreibt der Verein Lobby e.V. stundenweise ein ähnliches Restaurant in Frankfurt.

„Auch in Altona wird in den letzten Jahren die Lebenssituation der Menschen immer schwieriger“, erläutert Gillenberg das Motiv der JHO, die Idee nach Hamburg zu holen. Der Diplom-Sozialwirt hat gar von Fällen gehört, in denen Menschen Hundefutter gegessen haben. Für sie – aber auch für Normalverdiener – will der Zinken hochwertiges Essen anbieten. Eine gewisse Einstufung der Solvenz sei allerdings aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nötig, räumt Gillenberg ein: Wer weniger als 1400 Mark im Monat hat, bekommt eine „Zinken-Card“. Damit kostet ein Mittagessen etwa fünf Mark. Normalverdiener zahlen voraussichtlich acht bis zehn, Gutsituierte fünfzehn bis zwanzig Mark – nach Selbsteinschätzung. In Frankreich und Frankfurt funktioniert das Prinzip, weiß Gillenberg. Die JHO selbst hat auf dem Floßcafé in Övelgönne gute Erfahrungen damit gemacht.

Aber der Zinken wird nicht nur die Bäuche füllen. Angeregt von den Erfahrungen in Christoph Schlingensiefs „Mission“ wollen die InitiatorInnen mit künstlerischen Veranstaltungen die Besucher „durch gemeinsam Erlebtes zusammenbringen“: Eine Ecke des Restaurants wird zum Kasperletheater umgebaut, in einem zugehörigen Saal sollen Ausstellungen stattfinden, auch ein Filmfest ist geplant. Schon wenn er die entstehende Inneneinrichtung skizziert, gerät Gillenberg ins Schwärmen: Eine „Atmosphäre à la Wirtshaus im Spessart“ soll in Ottensen sprühen, mit Zinken an den Wänden und viel Grün – „nicht zu nobel und nicht zu schäbig“.

Nicht zuletzt schafft der Zinken Arbeitsplätze: Zehn erwerbslose Frauen können sich dort mit finanzieller Unterstützung der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu Fachgehilfinnen im Gastgewerbe qualifizieren. Der Koch wird allerdings frei finanziert. Daneben sucht die JHO noch UnterstützerInnen, die beispielsweise Faltblätter auslegen oder Plakate kleben.

Treffen für Interessierte: Mittwoch, 3.2. 19 Uhr in „La Cantina“, Hohenesch 68 oder 39 90 33 89.

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