: Verfolgte KünstlerInnen
■ Neues Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters in Hamburg vorgestellt
Der Schauspieler Joachim Gottschalk, entschieden die Nazis, sollte Filmrollen nur bekommen, wenn er sich von seiner jüdischen Frau trennen würde. Gottschalk beging mit seiner Frau und ihrem achtjährigen Sohn Selbstmord. Wie er wurden Tausende von SchauspielerInnen, RegisseurInnen, TänzerInnen, KabarettistInnen oder BühnenbildnerInnen zwischen 1933 und 1945 aus Deutschland verjagt, gefoltert, ermordet oder in den Tod getrieben. Mit einem neuen „Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters“, das gestern in Hamburg vorgestellt wurde, werden erstmals die Leidenswege von 4000 dieser NS-Opfer nachgezeichnet.
„Es ist kein Lexikon, sondern auch ein literarisches Mahnmal“, sagt Frithjof Trapp, Chef der Hamburger Arbeitsstelle für deutsche Exilliteratur. Der Germanistik-Professor leitete das 700.000 Mark teure und vor neun Jahren begonnene Forschungsprojekt, an dem 19 WissenschaftlerInnen aus den alten und neuen Bundesländern beteiligt waren. Entstanden ist ein Werk von rund 1650 Seiten Umfang, das nicht nur das Exil beleuchtet, sondern auch das Theater des „Dritten Reichs“ und die Verfolgungssituation in Deutschland.
Als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 die Macht übernahmen, setzten sich zahlreiche KünstlerInnen ins Ausland ab. Schätzungsweise waren insgesamt etwa 20.000 deutschsprachige KünstlerInnen aller Genres bis 1945 von Verfolgung betroffen. Auch prominent zu sein war nur in seltenen Fällen ein Schutz. So mußten herausragende Persönlichkeiten an den Theatern der Weimarer Republik wie Elisabeth Bergner, Tilla Durieux, Helene Weigel, Albert Bassermann oder Max Reinhardt emigrieren.
„Die Tragik einiger Schicksale ist unvorstellbar“, berichtete Trapp. Der Berliner Regisseur, Schauspieler und Autor Hans Behrendt floh 1933 nach Spanien, ging fünf Jahre später zu Dreharbeiten nach Brüssel, wo er im Mai 1940 verhaftet und dann nach Frankreich gebracht wurde. Für ihn bemühte sich Marlene Dietrich um ein US- Reisevisum: Es wurde erteilt, erreichte ihn aber zu spät. Sein Name stand schon auf einer Liste von Häftlingen, die nach Auschwitz deportiert werden sollten. lno
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen