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Wie „Schweinchen Babe“ den fiesen Pitbull bekehrte

■ Schöner Film, doch, doch. Babe ist wieder da. Diesmal „in der großen Stadt“. Eine nörgelnde Anpreisung

...und dann, liebe Kinder, wurde Babe, das erste Schafhüteschwein der Weltgeschichte, im Triumphzug zurück zu Hoggett's Farm gebracht, und sie alle lebten glücklich und in Freuden...

Pustekuchen! Schließlich ist die Wirklichkeit kein Märchen, und außerdem wäre ein Glücklich-und- in-Freuden-Leben keine gute Idee für einen Film: zu langweilig. Und weil die Schöpfer von „Ein Schweinchen namens Babe“ Australier sind, dachten sie sich: Machen wir's doch wie bei „Crocodile Dundee II“ und schicken unsere Helden unter irgendeinem Vorwand in die große Stadt. Das wird irre spannend und komisch, unsere kleine, gutmütige Landpomeranze im Asphaltdschungel, von Drogendealern und Fascho-Cops – äh: Dobermännern und Tierfängern – gehetzt, mit Verfolgungsjagden und Tortenschlachten, richtig geile Action – aber auch mit Herz und als Anklage der anonymen, brutalen, kalten Ellenbogengesellschaft, wo nicht nur der Mensch des Menschen Wolf, sondern sogar das Tier des Tieres Pitbull ist, und am Ende zerschellt das Böse an der Sanftheit und Güte unseres Schweinchens, als Vorschein des Utopischen...

So ungefähr muß es gewesen sein, und wenn Sie's nicht glauben, sehen Sie sich's an. Das sollten Sie in jedem Fall tun, denn die Fortsetzung von „Babe“ ist ein guter Film. Doch, doch.

Die große Stadt zum Beispiel: eine zauberhafte Mixtur aus New York, Gotham City, Venedig, Hollywood, im Hintergrund ist der Eiffelturm zu erkennen und Sydneys Opernmuschel – die postmoderne Idealstadt, in der man gerne leben würde, wenn es nicht Berlin gäbe (Witz!).

Und auch mein spezieller Freund aus dem ersten Teil tritt wieder auf, der durchgeknallte Enterich Ferdinand, in einigen sehr komischen Szenen wie dem Wettfliegen mit einem Jumbo-Jet. Oder, zum ersten Mal auf der Leinwand (und möglicherweise der Beginn einer großen Karriere): der fiese Pitbull, der Babe ans Leder will, aber dann, wenn unser liebes, geradezu jesusartiges Schweinchen ihn vor dem Ertrinken gerettet hat, als Babes Hit- man und Leibwächter seine aggressive Natur („Es ist in meinen Genen“) in den Dienst der guten Sache stellt, nämlich die Aussöhnung zwischen Hunden, Katzen, Affen und Goldfischen; ein geläuterter Nazi-Skin sozusagen, der das Gewaltmonopol im Sinne Otto Schilys zum Schutze der multikulturellen Gesellschaft übernimmt...

Das ist alles recht schön, gut gemacht und noch besser gemeint. Und doch, und doch... Der Hauch von Enttäuschung beim Verlassen des Kinos entwickelte sich beim Nachdenken über den Film zu einer Brise, und als ich mir zu Hause den ersten Teil noch einmal auf Video ansah, zog ein Sturm auf. Keine Rede davon, daß die Fortsetzung besser sei, wie viele amerikanische Kritiker schreiben: Sie ist härter, schneller, kalkulierter. Das wunderbar Epische von „Babe“, die innere Logik des Entwicklungsromans, ist ersetzt durch Action und Gags; nicht mehr „Wilhelm Meister“, sondern „Die Hard“ als Vorbild...

Erinnern Sie sich an den Schluß von „Babe“? Wenn das Ferkel den nationalen Schaf-Hütehund-Wettbewerb gewinnt und der große Jubel ausbricht, die musikalische Apotheose einsetzt und sich alle in den Armen liegen – da flossen die Tränen, auf der Leinwand und davor, bei allen Menschen guten Willens, aber auch bei den Verstockten: bei Ihnen und mir. Der Grieche nennt es Katharsis; das ist das Schönste, auch im Kino, und es ist sehr selten.

Aber für den, der „Babe“ nicht kennt, ist „Schweinchen Babe in der großen Stadt“ ein reines Vergnügen. Kurt Scheel

„Schweinchen Babe in der großen Stadt“. Regie: George Miller. Mit James Cromwll, Magda Szubanski, Mary Stein, USA 1998, 97 Min.

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