■ Querspalte: 130 Milliarden Beckenbauer
Wenn man sich grundsätzliche Entscheidungen bezüglich der Zukunft erwartet, sollte man von Strudelwürmern nicht zuviel erhoffen. Bei Strudelwürmern sieht es nämlich ganz traurig aus, was das Gehirn betrifft: Ein paar verdichtete Nervenzellen, das war's. Etwas höher entwickelte Lebewesen können gewisse Körpertätigkeiten zentral steuern. Und selbst wenn sie nominell ein Großhirn als Sitz der Intelligenz haben, in dem sich um die 14 Milliarden Zellkörper tummeln, reicht es leider oft nicht zu sehr viel mehr.
Was nun den ehemaligen Fußballprofi Franz Beckenbauer (53) betrifft, so meldete Bild gestern exklusiv, er nenne insgesamt „130 Milliarden Gehirnzellen“ sein eigen. Man mag über die Rechercheakkuratesse des Blattes geteilter Meinung sein. In diesem Fall muß man sie ernst nehmen. Beckenbauer ist exklusiv unter Vertrag – allerdings nur, was Printmedien betrifft. Man darf aber wohl sagen: Für Beckenbauers Verhältnisse ziemlich exklusiv. Da ist es nur folgerichtig, wenn Bild-Arzt Dr. Fischer oder ein Kollege nun exklusiv in den Hemisphären von Beckenbauers Großhirn und den angeschlossenen Hirnen recherchiert hat. Das Ergebnis ist atemberaubend und lautet: „Man hat das Gefühl, in diesen 130 Milliarden Gehirnzellen entscheidet sich die Zukunft.“
Welche Zukunft? Die des deutschen Fußballs. Der WM 2006. Von Bayern München. Matthäus. Bertelsmann. RTL. Premiere. E-Plus. Adidas. Von Bild. Von Weihnachten. Also sozusagen die totale Zukunft. Wie Beckenbauers 130 Milliarden entscheiden werden? Nur was den DFB betrifft, sind ein paar Milliarden auch schon mal dagegen.
Ansonsten sind sie aber Gott sei dank dafür. Weshalb 80 Millionen Deutsche hiermit die in der Regel dabeisitzenden Bild-Reporter bitten, aufzupassen, wenn etwa Mutter Antonie ihrem „Franzl“ bei ihr zu Hause in Milbertshofen ein Weißbier einschenken will. Kaum daß er sich's versieht, sind eine Million Zellen futsch. Beckenbauers Aufgabe ist aber so gigantisch, daß er sie alle braucht. Peter Unfried
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