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Unsauberes Dr. Verfahren

■ Bremer Physik-Professor wollte eigene Tochter promovieren/ Nur wenige Stunden vor dem Prüfungstermin wurde er ausgebremst/ Promotion abgeschlossen: „Sehr gut“

An der Bremer Uni wird gehöhnt: Ausgerechnet ein Verfahrensphysiker hat dort jetzt gegen das Bremische Verwaltungsverfahrensgesetz verstoßen. Das besagt, daß Verwandte an Promotionsverfahren nicht beteiligt sein dürfen. Andere kalauern auch über Väter, die eben nicht zugleich Doktorväter sein dürfen– oder wenn doch, dann nur mit Konsequenzen.

Die erfuhren gestern der Physik-Professor Stefan von Aufschnaiter in seiner Eigenschaft als Mitglied der Promotionsausschusses Dr. rer nat. und dessen Promotionskandidatin Claudia von Aufschnaiter, seine Tochter. Die muß einen harten Tag durchlebt haben – denn kurzfristig stand ihre Promotionsprüfung und damit die anstehende Verleihung der Doktorinnenwürde zur Disposition; ihr gestriger Prüfungstermin war ins Kippeln gekommen, nachdem NaturwissenschaftlerInnen angesichts der familiären Promotions-Connection im Alarm geschlagen und einen groben Verstoß gegen wissenschaftliche Ethik angeprangert hatten.

Der Rektor müsse eingreifen, zumal dies dem Ansehen der Bremer Universität schade, hatte die Soziologie-Professorin Marlis Krüger ans Unioberhaupt Jürgen Timm gefaxt. Die Vorsitzende des Promotionsausschusses Dr. phil. hatte den Rektor zugleich aufgefordert, seiner Aufsichtspflicht nachzukommen. Zuvor hatten KollegInnen bei ihr Rat gesucht, um das unsaubere Verfahren zu stoppen.

Der Rektor handelte offenbar prompt. Die Prüfungskommission könne in der geplanten Besetzung – mit Vater – nicht stattfinden. „Ob die im Fachbereich 1 so schnell eine neue Kommission zusammenkriegen, daß der Termin heute nachmittag noch stattfindet, ist unklar“, hieß es am morgen allenthalben. Aber dann gelang es doch. Wie geplant gegen 15 Uhr traten die PrüferInnen, darunter drei Bremer ProfessorInnen und eine Hamburger Erziehungswissenschaftlerin, zur sogenannten Diskussion zusammen. Ohne Vater. „Das Ergebnis war ein klares Sehr gut“, vermeldete wenig später die Vorsitzende des Ausschusses , Prof. Dr. Barbara Schenk aus Hamburg. Sie selbst habe Claudia Aufschnaiter – deren Vater ihr einst sogar die Berufung nach Bremen vermasselt habe – mehrmals zum Doktorandenkolloquium nach Hamburg gebeten. Erst gestern allerdings, nachdem sie von den bösen Vorwürfen der Begünstigung und des versuchten Schmus gehört hatte, sei auch ihr klar geworden: „Natürlich Stefan, du kannst deine Tochter nicht selbst promovieren.“ Dies gelte auch in Hamburg.

Der Doktorinnenvater gab sich unterdessen gegenüber der taz wenig schuldbewußt: Nachdem seine Tochter vor Jahren eines von fünf Promotionsstipendien in seinem Fachbereich erhalten habe, sei er zu ihrer Betreuung angetreten. Als Didaktiker der Physik wollte er seiner Tochter nur die beste Betreuung sichern, beschwört er. Als Prüfer und Notengeber habe er nie antreten wollen – und dies auch schriftlich im Fachbereich niedergelegt; daraufhin sei es zur Berufung von zwei weiteren Prüfern im üblicherweise nur vierköpfigen Prüfungsgremium gekommen. „Meine Tochter wurde nie begünstigt. Aber sie sollte auch keine Nachteile haben, nur weil sie die Tochter eines Physikprofessors ist“, argumentiert Aufschnaiter. Eine verhängnisvolle Wandlung habe die Geschichte erst mit einer Änderung der alten Promotionsordnung genommen, nach der Betreuer ihre KandidatInnen künftig zwingend auch begutachten, sprich benoten müssen. Gegen diese neue Regel habe er nicht verstoßen wollen, so der Vater. Aber immer habe er sich – in Unkenntnis des Gesetzes – darum bemüht, nicht zugunsten seiner Tochter zu beeinflussen. So habe er beispielsweise sein Gutachten über die Doktorinnenarbeit der Tochter erst vorgelegt, nachdem die beiden anderen Prüfer ihre Bewertung bereits beendet hatten.

„Warum hat er das alles überhaupt gemacht, wenn er doch gar nicht will, daß seine Meinung zählt? wundert sich unterdessen Petra Krahlemann. Die Verwaltungsangestellte der Bremer Uni ist für die Promotionsverfahren Dr. rer pol. zuständig. Die väterliche Physikerlogik leuchtet ihr nicht ein. „Daß Verwandte sich an solchen Verfahren nicht beteiligen, ist doch wirklich Standard“, sagt sie.

ede

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