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Frieden schaffen mit Waffen

Die Bosnien-Kontaktgruppe soll heute einen „politisch ultimativen“ Beschluß zum Kosovo fällen. Akzeptieren ihn die Konfliktparteien nicht, droht ein Militäreinsatz  ■ Von Dieter Rulff

Berlin (taz) – Wenn Bundesaußenminister Joschka Fischer heute zur Sitzung der Bosnien-Kontaktgruppe nach Paris reist, wird er ein eher kurz gehaltenes Papier in der Tasche haben, das Grundlage des Friedensprozesses im Kosovo werden soll. Es handelt sich, wie es aus dem Auswärtigen Amt heißt, um eine politisch ultimative Lösung, die beiden Konfliktparteien unterbreitet werden soll.

Es ist ein „nicht verhandelbarer Prinzipienkatalog“, der sowohl die Autonomie der Kosovoprovinz betont als auch den Verbleib im jugoslawischen Staat festschreibt. Zudem verpflichtet er den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević auf die Erfüllung der bisherigen UN-Resolutionen zum Kososvokonflikt. Nach den Plänen der Kontaktgruppe ist eine dreijährige Übergangszeit vorgesehen, in der der Kosovo über eine Provinzregierung und eigene Polizeikräfte verfügen soll. Nach den drei Jahren soll in einem Referendum über den endgültigen Status der Provinz entschieden werden.

Die beiden Parteien sollen, so heißt es aus dem Außenministerium, ultimativ aufgefordert werden, sich innerhalb von Tagen an einem Ort in Europa einzufinden und die vorgelegten Grundsätze zu akzeptieren. Diese Warung soll „militärisch unterlegt werden“.

Fischer hatte bereits am Montag die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen von diesen Vorstellungen unterrichtet und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Am Mittwoch wurde der Auswärtige Ausschuß des Bundestages in Kenntnis gesetzt. Dieser stimmte dem Vorhaben, den militärischen und politischen Druck zu erhöhen, zu.

Die gestern vom Nato-Rat beschlossenen Maßnahmen sind die Folterinstrumente, die Milošević und die UCK bewegen sollen, diese Bedingungen zu akzeptieren. Für die Beratungen soll ihnen lediglich eine Woche Zeit gegeben werden. Akzeptieren sie nicht, soll eintreten, was die Nato-Außenminister gestern als „letzte Warnung“ titulierten.

In dieser Formulierung liegt bereits eines der Probleme des Verfahrens. Ursprünglich sollte die Nato-Position als Ultimatum definiert werden, vor allem die USA hatten sich dafür eingesetzt. Sie haben sich aber mit dieser harten Haltung in den letzten beiden Tagen bei ihren Bündnispartnern nicht durchsetzen können. Die Uneinigkeit der Nato-Partner war jedoch bereits häufig der Hintergrund, auf dem Milošević seine taktischen Spiele trieb. Ein weiteres Problem besteht in der verwirrenden politisch-militärischen Lage auf seiten der Kosovo-Albaner. Nach den Auseinandersetzungen der letzten Tage ist unklar, wer mandatiert ist, solche Verhandlungen zu führen und eine Waffenruhe auch durchzusetzen.

Akzeptieren die Konfliktparteien das Verfahren nicht, so drohen Jugoslawien militärische Schläge. Im Auswärigen Amt wird in diesem Zusammenhang betont, daß die Act-Order vom Herbst letzten Jahren noch in Kraft sei. Allerdings waren seinerzeit viele Beteiligte froh, daß es nicht zu einem Einsatz kam, schon weil dessen völkerrechtliche Grundlage äußerst umstritten war.

Auch wäre heute wie damals unklar, was einem solchen Luftschlag folgen sollte. Fischer soll den Fraktionsvorsitzenden gegenüber gesagt haben, daß mit einem solchen Einsatz erst nach dem Abzug der OSZE-Beobachter zu rechnen sei. Der kann allerdings relativ schnell vonstatten gehen. In den Regierungsfraktionen in Bonn wurde allerdings gestern die Befürchtung laut, daß eine solche Drohkulisse schnell zusammenbrechen könnte.

Ähnlich schwierig liegt der Fall, sollte die UCK sich einer Regelung verweigern. Die Kosovo-Albaner streben die völlige Unabhängigkeit von Jugoslawien an. Ihnen gegenüber könnte die Nato nur mit einem Rückzug aus der Region drohen. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping hatte bereits mehrfach gedroht, daß die Nato nicht die Luftwaffe der UCK sei, womit er ausdrücken wollte, daß sich die Bündnispartner nicht durch die Guerilla-Kämpfer in Kampfhandlungen zwingen lassen. Ein Rückzug wäre allerdings eine Haltung, welche die beteiligten Staaten bestenfalls bis zum nächsten Massaker an Zivilisten durchhalten können. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, warnte denn auch gestern, daß die Ultimaten auch die unter Druck setzten, die sie aussprechen.

Die Erwartung, daß sich Milošević doch auf Verhandlungen einlassen wird, dürfte vor allem aus der veränderten Haltung Rußlands resultieren. Die Gespräche, die die amerikanische Außenministerin Albright Anfang der Woche mit ihrem russischen Kollegen Iwanow geführt hat, geben nach Ansicht der deutschen Seite Raum zur Verfolgung des Planes. Iwanow hatte nach den Gesprächen unisono mit Albright Serbien aufgefordert, die UN-Resolutionen einzuhalten und „in vollem Umfang“ mit dem Kriegsverbrechertribunal zusammenzuarbeiten.

Allerdings wäre es verfrüht, daraus auf eine generelle Zustimmung Rußlands zum Vorgehen der westlichen Staaten zu schließen. Rußland, das mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA die Kontaktgruppe bildet, soll soweit wie möglich in das weitere Verfahren eingebunden werden. Es wurde in diesem Zusammenhang von einem „strategischen Geschäft“ gesprochen, das der russischen Seite angeboten wurde. Zu dessen Inhalten wollte man in Bonn jedoch keine näheren Angaben machen.

Sollte es zu einer Regelung mit Milošević und der UCK kommen, so wird es voraussichtlich zu einer Stationierung von Bodentruppen im Kosovo kommen, um die Einhaltung der Vereinbarungen zu garantieren. Diese sollen, wie bereits die SFOR-Truppen in Bosnien, das Mandat zur Friedenserzwingung haben.

Der UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte am Dienstag von der Möglichkeit gesprochen, daß der Sicherheitsrat einem Militäreinsatz der Nato im Kososo zustimmen könnte. Dieses war bislang am Veto Rußlands und Chinas gescheitert. Gestern bekräftigte er, es könne keine Illusion über die Notwendigkeit der Gewaltanwendung geben, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft seien.

Für den Fall der Stationierung hat Bundeskanzler Gerhard Schröder bereits von der Möglichkeit einer Entsendung deutscher Bodentruppen gesprochen. Allerdings werden in informierten Kreisen in Bonn Zweifel geäußert, daß die Bundeswehr, wie übrigens auch die britische und die französischen Armee, ohne weiteres über die erforderlichen Kapazitäten für einen solchen Einsatz verfügt.

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