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Porsche, authentisch

■ Bei seiner Lesung im Bremer Theater wühlt Urs Widmer vergnüglich in Kopfshit

Ein echter, originaler Outplacementmanager (aus Hamburg eigenmächtig eingeflogen) war auch da, als Urs Widmer mit den Bremern über „Top dogs“ debattierte, jenes Theaterstück, das sich mit Ehrgeiz, Arroganz, Mobbing und Illusionen im mittleren Management beschäftigt. Zum dritten Mal trieb es den Armen (Reichen) schon zu Widmers ironischer Managerschelte. Aber nur um Widmer NichtRecht zu geben: „Wir sind gar nicht so böse“, gierte er im proppenvollen Schauspielhaus um Mitleid für seine Kaste; für Entlassungen zuständig seien nur einige wenige gaaanzganz oben; die anderen - bestenfalls willige Vollstrecker; außerdem sei die Entlassung eines Managers mindestens genauso tragisch wie die eines Fließbandarbeiters; und: bei den horrenden Preisen deutscher Kühlschränke müßten eben ganz einfach deutsche Kühlschrankschrauber entlassen werden. Dabei wirft Widmer den Managern weniger Schlechtigkeit als Blödigkeit vor.

Diese beeindruckende Rechtfertigungsperformance gab den Zuhörern in etwa einen Eindruck, was für Schwachsinn sich Widmer bei der Recherche für sein ratzfatz hingeworfenes Stück – Brutzeit zwischen Idee und Uraufführung betrug drei Monate – anhören mußte. Zwei Outplacementagenturen wurden in die Arbeit miteinbezogen. Selbst der schwarze Porsche inklusive kurzberockter Blondine (im Stück eher plattes Inbild für infantile Karriereziele) entstammt Gesprächen mit geschassten Chefs. Diese Authentizität macht die Leitbildmetapher Porsche aber um keinen Deut klüger.

Auch in der Lesung am Nachmittag demonstrierte Widmer, der einstige wildmäandernde Prosaist, bisweilen eine Vorliebe fürs Simpel-Pädagogische. Die Erzählung „Wir sind das Volk“ klärte auf, daß Mensch A mit Mensch B genauso viel gemein hat wie Hühnersuppe und Essigbaumlaus: nichts. Volk existiert nicht, nur reichlich eigenwillige Individuen. Dies ist wahr. Wahr ist aber vielleicht auch, daß es traurig ist, wie unsere besten Schriftsteller ihr Talent heute vergeuden müssen im Kampf gegen herrschenden Humbug.

Noch eine zweite political-correctness-Geschichte aus dem Band „Vor uns die Sintflut“ war zu hören, nämlich über unsere Schwierigkeiten, das Kuddelmuddel von Krisenherden zu kapieren. „Ruanda, Sudan, Angola“ listete Widmer mit seiner jovialsten Kabarettstimme – und grimassiert dabei absonderlich urkomisch mit Backen und Schnauzer. Seine Sprache allerdings grimassiert und flachst erst bei Porträts von Irren, Paranoikern und Weltuntergangspropheten. Da verwandelt einer virtuos gesunde, fiese Menschenverachtung in Sprachwitz. „Shit im Kopf“ wollte er denn auch angenehm gehässig seinen Prosaband nennen. „Ich fand das eigentlich sehr passend. Mein Verleger aber nicht. Ich habe mich diesem Verbot sofort gebeugt.“ Mit dieser Freude an den eigenen Schäbigkeiten und Niederlagen gab er zum Schluß der Lesung einen kleinen Überblick über seine schlimmsten Urlaubskatastrophen zum Besten. Das kann er. Besser als Porschefahrenerklären. bk

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