: Abschied von Narziß und Wespentaillen
■ Fitneßstudios haben neben Kraft und Schönheit immer öfter auch die Gesundheit in ihrem Angebot. Gütesiegel sollen bei der Auswahl helfen
Sie heißen „Healthland“, „Gesundheits“- oder „Wellness-Studio“ und verheißen uns nicht nur ewige Jugend und Schönheit, sondern vor allem Gesundheit. Sport- und Fitneßstudios sind schon seit ein paar Jahren dabei, ihr Image aufzupolieren. Weg von der Männerschweiß atmenden stählernen Folterkammer und hin zum Wohlfühl-Center für rückengeschädigte Angestellte und gestreßte Manager beiderlei Geschlechts. Aber in welchen Studios kann mensch tatsächlich etwas für seine Gesundheit tun, statt sie zu ruinieren?
Wie für Wolle, Wein oder umweltfreundliche Produkte gibt es mittlerweile auch für Fitneßstudios Gütesiegel, die ratlosen FreizeitsportlerInnen bei der Qual der Wahl helfen sollen. Ein bißchen tragen sie selbst zur Qual bei, denn es gibt verschiedene Siegel. Etwa 30 Berliner Fitneßstudios, mit dem Gütesiegel „Gesundheitsorientiertes Sportstudio“ ausgestattet, schmücken sich zudem mit dem von Ärztekammer und Gesundheitsakademie (GAB) vergebenen Zertifikat „Präventiver Gesundheitssport“. Dies soll es demnächst bundesweit geben.
Entscheidend für die Auszeichnung ist die Qualifikation des leitenden Trainers eines Studios: Wer Diplom-Sportlehrer oder Fitneßtrainer ist, kann eine zusätzliche „Gesundheitstrainer“-Lizenz erwerben, die von der GAB angeboten wird. Die Ausbildung umfaßt etwa 60 Stunden, kostet rund 1.400 Mark und soll den Fitneßtrainern Grundwissen über das Herz-Kreislauf-System, den Stoffwechsel, Lungenerkrankungen, den Bewegungsapparat und Erste-Hilfe- Maßnahmen nahebringen. Zusätzlich werden in den Studios die hygienischen Standards und die technische Ausstattung überprüft.
Gesundheitssport sei nicht schlecht, aber „das Siegel ist zu undifferenziert“, kritisiert Thomas Siebert, beim Berliner Landesportbund (LSB) zuständig für Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport. Es werde nur von einer einzigen Person eine qualifizierte Ausbildung verlangt und dann automatisch das ganze Studio als gesundheitsförderlich deklariert. Der LSB Berlin vergibt seit 1997 selbst ein „Gütesiegel Gesundheitssport“ – allerdings nur für Vereinssportangebote. „Wir verlangen eine Spezialausbildung, wenn jemand zum Beispiel Wirbelsäulengymnastik oder Sport für Asthmakranke anbieten möchte. Und wir vergeben das Siegel immer nur an einzelne Kurse, nicht an ganze Vereine.“
Dann gibt es noch die „Gütegemeinschaft Gesundheitssportzentrum e.V.“ in Köln, die seit 1993 bundesweit das Gütesiegel „Fitnesszentrum“ verleiht. Geschäftsführerin Siw Waffenschmidt betont mit Blick auf die GAB, daß dies die „einzige neutrale nicht- kommerzielle Organisation“ der Qualitätssicherung in diesem Bereich sei. Sie vertritt das RAL, das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung. Das RAL entwickelte Qualitätskriterien in Kooperation mit verschiedenen Bundesministerien, Bundesverbänden und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherer. Entsprechend hoch liegt die Meßlatte für das Personal: Neben dem sportlichen Leiter mit Hochschulabschluß müssen alle Trainer einen „staatlich anerkannten Bewegungsfachberuf“ oder ausgewählte Fitneßtrainer- Lizenzen vorweisen. Nur rund 100 der 6.000 bundesdeutschen Fitneßstudios haben das RAL-Gütesiegel, in Berlin nur ein einziges.
Für Lothar Böken, stellvertretender Geschäftsführer der GAB, ist dies Beweis genug, daß die Ansprüche zu hoch sind. Außerdem garantiere das hohe formale Qualifikationsniveau nicht die medizinischen Kenntnisse, die Bedingung für das Berliner Zertifikat sind. „Uns geht es um Leute, die zum Beispiel unspezifische Rückenprobleme haben und vom Orthopäden aufgefordert werden, abzunehmen und die Rückenmuskulatur zu stärken. Denen können wir nun die von uns zertifizierten Studios empfehlen. Die Liste haben wir bereits an 4.000 Berliner Ärzte verschickt.“ Für die Sportstudios, die auf diese Weise „in die örtliche Gesundheitsversorgung“ integriert werden, wie die GAB es nennt, bedeutet dies (fast) kostenlose Werbung.
Eine Überschneidung mit den Aufgaben von Krankengymnasten kann Böken nicht erkennen. Diese seien bei akuten Problemen für die unmittelbare Rehabilitation zuständig: „Wir sind erst danach dran, zum langfristigen Erhalt der Gesundheit.“ Daß Ärzte aufgrund der Budgetierung immer weniger Physiotherapie verordnen und in Einzelfällen auch mal Krafttraining statt Krankengymnastik empfehlen, sei „ein gesundheitspolitisches Problem“. Die GAB jedenfalls verdiene bisher nichts an der Gesundheitstrainer-Lizenz. Das könnte sich in Zukunft vielleicht ändern, wenn die Gespräche der GAB mit den Ärztekammern anderer Bundesländer erfolgreich seien und die Lizenz bundesweit angeboten wird. Martina Kretschmann
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