: Der Transrapid spaltet die SPD-Fraktion
■ Fraktionschef Böger will den Erfolg der Volksinitiative verhindern und setzt sich für ein geschlossenes Fraktionsvotum ein. SPD-Stimmen im Abgeordnetenhaus sind ausschlaggebend
Die Lage für den Berliner SPD- Fraktionsvorsitzenden Klaus Böger ist vertrackt. Die Bundesregierung hat sich noch nicht entschieden, die Haltung der Industrie ist unklar, seinen Koalitionspartner CDU will Böger nicht vor den Kopf stoßen, und in einem Dreivierteljahr sind Wahlen. Ausgerechnet in dieser Situation zerfällt seine Fraktion in zwei Lager – in Befürworter und Gegner des Transrapids.
Böger bleibt nicht mehr viel Zeit, um seine Mannschaft auf Linie zu bringen. Ursprünglich hatte die Große Koalition den Transrapid befürwortet. Die erfolgreiche Volksinitiative gegen den Transrapid erzwang jedoch, daß sich das Abgeordnetenhaus erneut mit dem Thema befassen muß. In der zweiten Februarhälfte tagen die Ausschüsse, Ende des Monats wird es voraussichtlich zur Abstimmung im Parlament kommen.
Den Fraktionszwang will Böger nicht verhängen, verlautet aus Abgeordnetenkreisen. Sein Ziel aber steht fest: Die Volksinitiative darf keine Mehrheit im Parlament bekommen. Entsprechend soll das Fraktionsvotum ausfallen. Wer sich daran nicht hält, muß zuvor das Gespräch mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der SPD suchen, erfuhr der BUND als Koordinator der Volksinitiative von SPD-Abgeordneten.
Die Entscheidung hängt an der SPD. Denn die CDU ist geschlossen für, Grüne und PDS sind gegen den Transrapid. Bei der Klausurtagung der Fraktion in Weimar hatte Böger noch gehofft, Bundesverkehrsminister Franz Müntefering werde den Zeitpunkt nennen, wann der Bund die Entscheidung fällt. Dann hätte die Berliner SPD versuchen können, die Abstimmung hinauszuzögern und sich dem Bundesvotum anzuschließen. Diesen Gefallen tat der Verkehrsminister seinem Parteifreund jedoch nicht. Vage sprach Müntefering davon, daß die Entscheidung „noch in diesem Jahr“ falle.
Die Resolution, die die SPD- Fraktion in Weimar zum Transrapid verabschiedete, war prompt nicht nur windelweich formuliert, sondern bekam auch nur eine äußerst knappe Mehrheit. „Wir unterstützen die Position des Bundes, die öffentlichen Mittel für den Transrapid auf die bisher zugesagte Höhe zu begrenzen“, heißt es darin. Der Bund wird zu einer schnellen Entscheidung aufgefordert. Aussagen über den Sinn oder Unsinn des Gesamtobjekts fehlen jedoch. Fraktionschef Böger äußerte sich nur am Rande der Tagung deutlicher: Das „Ding“ rechne sich zwar nicht, sei aber technologisch interessant.
Von der seit der Urwahl allseits demonstrierten Geschlossenheit war in der vergangenen Woche bei der Fraktionssitzung nicht mehr viel zu spüren. Ein offen abgestimmtes Meinungsbild habe bestätigt, daß die SPD-Fraktion fast fifty-fifty gespalten sei, berichteten Volksinitiative-Vertreter des BUND. Teile der Fraktion seien aber der Meinung, die Wähler wollten den Transrapid, berichtete der SPD-Verkehrsexperte und Transrapid-Gegner Christian Gaebler. Als Vertrauensmann der Volksinitiative kann er mit Rückendeckung seines Vorsitzenden allerdings gegen den Transrapid stimmen. Der frisch gewählte Spitzenkandidat der SPD, Walter Momper, hat sich bislang kaum zum Transrapid geäußert. Nach Gaeblers Eindruck hält Momper den Transrapid zwar wirtschaftspolitisch nicht für sinnvoll, meint aber, daß die „Neue Mitte“, die er gewinnen will, die Magnetschwebebahn befürwortet. Auf die SPD- Fraktion dürfte Mompers Haltung allerdings wenig Einfluß haben.
Für Fraktionschef Böger gibt es noch einen Ausweg aus der vertrackten Lage: Im Abgeordnetenhaus wird derzeit geprüft, ob das Parlament überhaupt abstimmen muß. Oder ob die Volksinitiative lediglich erzwungen hat, daß sich das Abgeordnetenhaus mit dem Thema Transrapid befassen muß. Das wäre für die SPD eine bequeme, aber feige Lösung. Jutta Wagemann
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