Italien stoppt Murdoch - vorläufig

■ Der australische Medienriese glaubte das ansehnliche Schnäppchen bereits fest in seinen Händen - doch mit einer neuen Gesetzesverordnung verschiebt die Regierung D'Alema nun erst einmal den Zugriff des P

Daß Rupert Murdoch vor Wut im Quadrat springe, ist natürlich übertrieben und lediglich Ausdruck der verärgerten Berichterstattung seines Mailänder Kumpels Silvio Berlusconi und seiner Medien. Doch daß der australische Medienmogul barsch seine italienische Statthalterin Letizia Moratti, vormals Generalintendantin des staatlichen Rundfunks RAI, in seine Residenz in Miami (Hotel Loews an Ocean Drive) bestellt hat, trifft schon zu: Grund ist das Gesetzesdekret zur Neuordnung des Pay-TV-Marktes, das die linksliberale Regierung unter Massimi D'Alema soeben erlassen hat. Sie macht ein ansehnliches Schnäppchen zur Makulatur, das der Australier bereits fest in seinen Händen glaubte: die Rechte für die Übertragung der Fußball-Serie A, die der deutschen Bundesliga entspricht. Die Gesetzesverordnung legt ein Oberdach für erwerbbare Partien fest und schreibt noch weitere Grundlagen fürs Bezahlfernsehen fest, die den erhofften Durchbruch des verschlüsselten TV erneut in Frage stellen.

Danach kann ein Pay-TV-Eigner für all seine Sender nur maximal 60 Prozent der Fußballspiele „kaufen“ – der Rest muß entweder an andere Anbieter gehen oder bleibt unverschlüsselt. Zudem macht das Dekret die sogenannten „Paketlösungen“ unmöglich: Exklusiv-Zugriff auf die Spiele eines Vereins hat bei gleichem Gebot jener Kaufinteressent, der allein für diesen Verein bietet und nicht im Kontext mit anderen Partien schachert. Allerdings kann kein Kaufvertrag für Spiele länger als drei Jahre gelten.

Und noch ein weiterer Vorteil ist Murdoch abhanden gekommen: Nach der Verordnung müssen sämtliche Pay-TVs auf denselben Decoder programmiert werden. Nichts mehr also mit der Hoffnung, die Leute mit Decoder-Billigangeboten ködern und dann über teure Abbonnements ausbeuten zu können.

Und dann machte das Kabinett das Maß noch ganz voll: Eigentlich war in dem Dekret auch die Neubewertung von Telemontecarlo vorgesehen. Das ist ein Sonderfall im italienischen Fernsehen: TMC strahlt ein rein italienisches Programm aus, sitzt aber formal in Monte Carlo und gilt daher als Auslandssender. Deshalb kann er auch ohne Rücksicht auf italienische Normen etwa Fußballspiele übertragen, die italienische Sender exklusiv gekauft haben. Nach dem bis Freitag vorgesehenen Verordnungstext sollte Telemontecarlo der Status eines Auslandssenders aberkannt werden (was mehr als eine Formsache ist – die Regierung kann ihm damit auch alle Fernsehantennen im Land sperren). Doch dann wurde genau diese Regelung herausgenommen – ein weiteres Druckmittel gegen Murdoch bleibt mithin in Kraft.

Murdoch Zorn: Verstoß gegen Treu und Glauben

Daß Murdoch sich ärgert (und mit ihm die feine Gesellschaft der Vereinseigner, die fette Gelder für „Paketlösungen“ wegschwimmen sehen), ist verständlich. Als er mit seiner „Stream“-Gesellschaft 1998 vorwiegend von Silvio Berlusconi die Pay-TV-Rechte übernahm (der Mailänder durfte aus Antitrust-Gründen nicht mehr mithalten), sah alles so aus, als könne er faktisch den gesamten Elitefußball Italiens kaufen: die Vereine mit wenigen Ausnahmen hoch verschuldet, die Nation sowieso indifferent, was die Kosten für ihre Hauptleidenschaftt Fußball angeht (vor allem weil viele Fans die Spiele gar nicht zu Hause, sondern in der Bar dello Sport oder bei Freunden mitansehen, so daß die Kosten nicht so sehr ins Gewicht fallen) und eine dem Privatfernsehen traditionell eher untertänig gegenübertretende Administration, die am Ende immer einknickte, wenn Medienmogul Berlusconi mit dem Fuß aufstampfte. Daß sich die Politik nun aufgerafft und dem Eindringling Paroli geboten hat, sieht Murdoch als Verstoß gegen Treu und Glauben an.

Rechtlich hat er damit sogar teilweise recht – allerdings nicht gegenüber der Regierung oder dem Volk, sondern gegenüber Berlusconi. Denn im Kaufvertrag steht, daß dieser nichtig ist, wenn die Fußballrechte nicht in ihrer Gänze für seine „Stream“ Gesamtheit erwerbbar sein sollten. Berlusconi, der seinen vordem maroden Konzern über den Batzen aus Murdochs Kasse saniert hatte, ist daher noch mehr verärgert als der Australier.

Murdochs Trost: Gesetz gilt nur für kurze Zeit

Bei näherem Lesen entdeckten die Gelackmeierten noch eine weitere Bosheit, die möglicherweise von der Regierung zunächst gar nicht so gedacht war: die Verordnung unterscheidet nicht zwischen der Qualität verschiedener Partien. Denn so richtige Zuschauermagneten sind faktisch nur die Spiele von vier oder fünf Top-Mannschaften: Juventus Turin, AC Milan und Internazionale Milano, Fiorentina und vielleicht noch die beiden römischen Vereine AC Rom und Lazio. Wer dagegen Bari oder Neapel, Empoli oder Cagliari „erwirbt“, kann den Profit getrost vergessen.

Genau auf die „Super-Squadre“ aber hat es nun der große Konkurrent von Murdoch abgesehen: Telepiu, das Pay-TV der staatlichen RAI. Daß gerade die Ex-Intendantin dieser Anstalt Murdoch nun das Blockadedekret überbringen mußte, gehört zu den Ironien der Geschichte. Schafft die RAI die Akquise der großen Vereine, wird Murdoch wohl seinen Kaufvertrag annullieren.

Trösten kann sich Murdoch ebenso wie Berlusconi zunächst nur mit einem: daß das Dekret, weil nicht formal als Gesetz vom Parlament verabschiedet, laut Verfassung nur eine Laufzeit von drei Monaten hat und nur einmal verlängert werden darf. Mitte des Jahres muß so die Umwandlung der Verordnung in ein regelrechtes Gesetz stehen – oder es gerät außer Rechtskraft. Bis dahin sind in Italien zwei wichtige politische Weichenstellungen zu erwarten, die wieder alles ändern könnten: die Wahl des Staatspräsidenten und die Wahlen zum Europaparlament. Daß die Regierung in dieser Sache zum Dekret gegriffen hat – in der Verfassung eigentlich nur für Notfälle vorgesehen – wird denn auch sowohl vom düpierten Berlusconi wie von den Freunden des Oberdachs kritisiert: Eilbedürftigkeit ist nirgendwo zu erkennen, das Ganze hätte getrost übers Parlament in einem regulären Gesetzgebungsverfahren durchgezogen werden können. Doch D'Alemas Administration argumentiert nun gerade umgekehrt: man habe den Verordnungsweg gewählt, gerade weil damit die Vorschriften nur eine gewisse, absehbare Zeit gelten, so daß man nach der hektischen Wahlkampfzeit in Ruhe über alles entscheiden könne.

Daß man das Pay-TV als Faustpfand für Verhandlungen nicht mit dem Geschäftsmann Berlusconi, sondern dem politischen Oppositionsführer Berlusconi nutzen möchte, um ihm politische Zugeständnisse bei der Präsidentenwahl und der anstehenden Wahlrechts- und Verfassungsreform abzuhandeln, leugnet in D'Alemas Regierung natürlich jeder. Tatsächlich aber ist es wohl doch so: Das Freigabe des bezahlten Fernsehens für Monopolisten wird einer der wichtigsten Verhandlungsjoker für die künftige italienische Politik sein. Werner Raith