: K-Stadtbummel
■ Eine kleine Orientierungshilfe zum postmodernen Revisionismus
Die neue politische Klasse der Bundesrepublik wurde in den siebziger Jahren gemustert. Ihren Schliff holte sie sich in außeruniversitären Veranstaltungen. Stilbildend waren dabei die K-Gruppen – in ihren regionalen Ausprägungen. Aus diesen K-Gauen stückelt sich nun die Berliner Republik zusammen.
Den Anfang machte der Hamburger Blinkfüer-Redakteur Ernst Aust, indem er sich von der illegalen KPD abspaltete und 1966 die Mutter aller K- Gruppen, die KPD/ML, gründete, ihr Zentralorgan hieß Roter Morgen. Hinter dieser Trennung stand der 20. Parteitag der KPdSU mit seiner Stalinverdammung und Chruschtschows Orientierung auf „friedliche Koexistenz“. Für Mao war dies „moderner Revisionismus“: Der Kapitalismus wird nie Ruhe geben! Das sowjetisch-chinesische Zerwürfnis ging im Kern auf wechselseitige Gebietsansprüche zurück. Mao konnte 1949 nicht alle Forderungen gegenüber Stalin durchsetzen, statt dessen strich er die Überlassung der mandschurischen Eisenbahn heraus – mit den klassischen Worten: „Es ist uns gelungen, das Filetstück aus dem Rachen des Tigers zu reißen!“ Die Grenzkonflikte gipfelten 1969 in die Kämpfe am Amur und am Ussuri. Bald spaltete sich auch die KPD/ML. Ihr Zentralorgan nannte die Gruppe um Willi Dickhut Rote Fahne. Daraus ging die heutige MLPD hervor.Nach Maos Tod kritisierte Enver Hodscha dessen Nachfolger als „moderne Revisionisten“. Die Austsche KPD/ML schloß sich seiner Kritik an, und Albanien war fortan „das Leuchtfeuer des Sozialismus in Europa“. Hunderte verloren bei der Einreise ihre langen Haare, weil Männer dort nur kurze tragen durften. 1970 boomten die K-Gruppen. In West-Berlin wurde die KPD/AO gegründet, ihr Zentralorgan hieß ebenfalls Rote Fahne. Für einen Kampf gerade gegen den Sowjet-Revisionismus war die Mauerstadt wie keine andere geeignet! Die DKP war überall Hauptfeind der KPD/AO. Sie bündelte dazu sogar die Studenten ihres KSV mit seinem Zentralorgan Dem Volke dienen im ideologischen Revi-Zentrum Marburg.
In München formierte sich die semileninistische Intelligenz zur MG (Marxistische Gruppe). Diese löste sich 1986 selbst auf und lebt nunmehr in der Zeitschrift Gegenstandpunkt fort. Die sogenannten Knödel-Maoisten fanden sich im „Bund zum Wiederaufbau der KPD“. In Hamburg gründete sich, bis hin nach Kiel, Kappeln und Göttingen der „Kommunistische Bund“, KB-Nord genannt – mit seinem sachlichen Zentralorgan Arbeiterkampf. Das ak steht heute für analyse und kritik. Aus den K-Gruppen in sechs weiteren Unistädten bildete sich der KBW. Seine Hauptzentren waren Heidelberg/Mannheim und Bremen, das später Oldenburg mitübernahm. Die Heidelberger Gruppe um Joscha Schmierer hatte das Theorieorgan Rotes Forum. Nach Verbot erschien es wieder als Neues Rotes Forum – dann kuk, schließlich: Kommune. In Frankfurt wurde die Kommunistische Volkszeitung(KVZ) im KBW- eigenen Haus produziert.
In der Buchmessenstadt schulten sich akademische Maoistinnen gerne zu Druckern um oder verliebten sich in Kfz- Lehrlinge, den Vorläufern der Rastas. Die Verbindung von Erotik und Proletarität äußerte sich ferner darin, daß sich alle K- Gruppen auf das Ruhrgebiet stürzten, so daß für einen eigenständigen Pott-Maoismus kein Raum blieb. Im Großraum Stuttgart diskutierten Willi Dickhuts Genossen mit den Arbeitervertretern, vor allem waren dort aber linksintellektuelle Prägungen aus den zwanziger Jahren von noch lebenden Genossen wirksam. Später entstanden daraus authentische Grüne.
In Bremen waren es die im KBW entwickelten politischen Talente, die den Grünen zugute kamen, später sogar der FDP. So daß dann das Pionierprojekt einer „Ampelkoalition Rot- Gelb-Grün“ faktisch eine Regierung aus SPD und KBW war.
Größte Demonstration einer einzelnen K-Gruppe war die des KBW für einen „Volksentscheid gegen Paragraph 218“ mit 25.000 Teilnehmern. Größere Zahlen erreichte erst die Anti-Atom-Bewegung (ab 1975 in Whyl), woraufhin ein K- Stützpunkt nach dem anderen sich in „Bürger-Inis“ umwandelte, an den Unis wurde das K- Potential von den „Basisgruppen“ angezogen. Aus „Laßt 100 Blumen blühen“ wurde – in Anspielung auf den Anti-AKW- Slogan „Das Kraftwerk muß wieder zur Wiese werden“ – die hessische Studentenstreik-Forderung: „Die Uni muß wieder zur Wiese werden!“
In dieser ideologisch heiklen Situation drohte die Schmidt- Genscher-Regierung mit einem K-Gruppen-Verbot. Die maoistische Einheitsfront konnte dagegen bloß 15.000 mobilisieren. Dennoch reichte der Konflikt um die mandschurische Eisenbahn und sein ideologisches Vokabular inzwischen – beim Gießener KBW etwa – bis in die Lokalpolitik: „Der Kampf gegen das Parkhaus am Osswaldsgarten ist gerecht und kann gewonnen werden!“
In Hamburg waren die Maoisten in ihren „selbstbestimmten Arbeitsgruppen“ nüchterner. Derart machte der KB-Nord als „BI“ den militanten Flügel der norddeutschen Anti-AKW-Bewegung zu einer Macht! Nach dreimaliger Aufforderung räumten sie zum Beispiel die Polizeisperren vor der Baustelle in Grohnde selbst ab. Später gingen daraus in Berlin die „Autonomen“ hervor. Diese sickern nun nach und nach als Datschenerwerber im Osten ein. Mathias Mildner
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