: Daimler-Chefs beantragen Steuerasyl
■ Die Spitzenmanager wollen künftig einen Teil ihrer Einkünfte in den steuerlich günstigeren USA veranlagen. Schließlich soll noch etwas von den satten Zuschlägen übrigbleiben, die ihnen die Fusion mit Chrysler einbringen wird
Berlin (taz) – Die deutschen Spitzenmanager der DaimlerChrysler AG wollen ihr Einkommen in Zukunft nicht mehr komplett in Deutschland versteuern. Der Vorstandsvorsitzende Jürgen Schrempp und ein Teil seiner Kollegen wollen dem deutschen Spitzensteuersatz von 53 Prozent entgehen und einen Teil ihrer Einkünfte in den USA deklarieren. Dort zahlen Einkommensmillionäre in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedlich viel – nirgendwo aber mehr als 43 Prozent. „Unsere Vorstände werden tatsächlich zum Teil in beiden Ländern steuerpflichtig“, bestätigte gestern Jürgen Wittmann, Sprecher bei DaimlerChrysler gegenüber der taz. Sein Konzern werde deshalb eine „Freistellung des Arbeitslohns vom Steuerabzug“ beantragen. Wittmann wies einen Bericht der Stuttgarter Nachrichten zurück, das Unternehmen habe schon einen entsprechenden Antrag beim Finanzamt Stuttgart eingereicht.
„Es ist unanständig, die deutschen Segnungen in Kauf zu nehmen und sich bei der Bezahlung davonzustehlen“, schimpfte Dieter Ondracek von der Steuergewerkschaft. „Diese Leute ruinieren die allgemeine Steuermoral.“ DaimlerChrysler- Sprecher Wittmann nannte den Vorwurf der legalen Steuerflucht „absurd“ und betonte, es handele sich um einen „Normalfall“: „Es ist doch irgendwie verständlich, wenn auch Manager sich bemühen, bei der Steuer günstig abzuschneiden. Noch ist zwar
nicht klar, welchen Teil ihres Einkommens die Daimler-Manager in den USA versteuern werden. Die Ersparnis wird auf jeden Fall beträchlich, denn die Daimler-Manager werden in Zukunft wahrscheinlich wie ihre amerikanischen Chrysler-Kollegen bezahlt. Ihr Gesamteinkommen aus Festgehalt, Bonus und Aktienoptionen erhöht sich beträchtlich. Jürgen Schrempp etwa darf sich über ähnlich hohe Bezüge wie der bisherige Chrysler-Chef Robert Eaton freuen. Dessen Jahreseinkommen liegt bei gut 20 Millionen Mark. „Wir sind überhaupt nicht glücklich über eine Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt“, erklärte Sprecher Wittmann mit Blick auf die aktuelle Tarifauseinandersetzung. „Der Vorwurf der Steuerflucht gegen den Vorstand ist natürlich gar nicht gut für die Stimmung auf der Arbeitnehmerseite.“
Gestern streikten 4.000 Beschäftigte von DaimlerChrysler in Kassel aus Protest gegen das Angebot (zwei Prozent Lohnsteigerung und eine Einmalzahlung von 0,5 Prozent) der Arbeitgeber in der aktuellen Tarifrunde. Der Betriebsratsvorsitzende des größten Daimler- Werkes in Sindelfingen, Ernst Klemm, nannte das geplante Steuermanöver des Vorstands „ein Unding“, gerade jetzt zur Tarifrunde. Er beklagte gegenüber der taz: „In einer Zeit, wo den Beschäftigten Lohnzurückhaltung gepredigt wird, optimieren die Vorstände derart ihr Gehalt.“ Das Mitglied des Aufsichtsrates hat „erst aus der Zeitung“ vom Vorhaben des Vorstands erfahren. Robin Alexander
Steuersparende DaimlerChrysler-Bosse im Uhrzeigersinn: Jürgen Schrempp, Manfred Gentz, Klaus Mangold, Jürgen Hubbert Fotos [M]: AP
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen