: Aufmarsch auf dem Balkan
Die Bundeswehr stellt 2.800 Mann an Bodentruppen für den Kosovo bereit. Risikolos wäre die Entsendung auch bei Zustimmung der beiden Konfliktparteien nicht ■ Aus Bonn Bettina Gaus
Auf dem Balkan wird derzeit ein großer militärischer Aufmarsch der Nato vorbereitet. Die verschiedenen Einheiten haben dabei allerdings völlig unterschiedliche Aufträge: Zum einen soll die in Makedonien stationierte Notfallschutztruppe in so erheblichem Umfang verstärkt werden, daß sie gefährdete OSZE-Beobachter notfalls auch gegen den Widerstand serbischer Streitkräfte aus der Krisenregion herausholen kann. Darüber hinaus sind Vorbereitungen für Luftschläge gegen Jugoslawien getroffen, an denen sich auch die Bundeswehr beteiligen will. Eine solche Operation könnte innerhalb sehr kurzer Zeit angeordnet werden, da der Nato- Rat seine Entscheidungsbefugnis bereits auf Generalsekretär Solana übertragen hat. Die Regierung in Belgrad wertet die militärische Drohkulisse als Verstoß gegen die Souveränität Jugoslawiens und fordert einen Beschluß des UN-Sicherheitsrats zu der Frage.
Derzeit aber läuft der Dialog zwischen Vereinten Nationen und Nato gut: UN-Generalsekretär Kofi Annan hat gerade Solana in Brüssel besucht und dabei die Mandatsfrage gar nicht erörtert. Vielmehr unterstützte er die Pläne der Balkan-Kontaktgruppe für den Kosovo.
Diese Pläne sehen die Stationierung einer Nato-Friedenstruppe im Kosovo vor, an der sich die Bundeswehr mit einem Kontingent von rund 2.800 Mann sowie Kampfpanzern beteiligen will (siehe unterer Text). Einer Entsendung von Bodentruppen müssen allerdings Regierung und Parlament erst noch zustimmen. Der Bundestag hat bislang lediglich die Stationierung der Notfalltruppe und die deutsche Beteiligung an Luftschlägen gebilligt.
Politische Voraussetzung für die Friedenstruppe ist die Zustimmung der Konfliktparteien, die diesen auf der Konferenz in Rambouillet abgerungen werden soll. Nach Einschätzung der Nato ist ein Friedensabkommen nur mit internationaler militärischer Präsenz durchsetzbar. Nato-Generalsekretär Solana spricht von einer Lösung, die „nicht allzu weit“ von der in Bosnien entfernt sei.
Die Pläne der Balkan-Kontaktgruppe, zu der neben den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland auch Rußland gehört, sieht für den Kosovo nicht die formale Unabhängigkeit, sondern eine internationale autonome Verwaltung für zunächst drei Jahre vor. Für die Serben hat das Gebiet wegen der 1389 verlorenen Schlacht auf dem Amselfeld eine große historische Bedeutung. Die Tatsache, daß inzwischen auch Rußland in die Pläne der Allianz weitgehend eingebunden zu sein scheint, könnte den jugoslawischen Präsidenten Milošević aber nach Ansicht von Beobachtern dennoch zum Einlenken bringen. Er hatte stets auf die Unterstützung Moskaus gesetzt.
Die enge Verzahnung so unterschiedlicher Organisationen wie der OSZE, der Nato und der Balkan-Kontaktgruppe lassen mittlerweile eine große Geschlossenheit des internationalen Handelns realistisch erscheinen. Risikolos wäre die Entsendung von Bodentruppen auch bei Zustimmung der Konfliktparteien nicht, da sowohl die serbische Führung als auch die Untergrundarmee UCK als schwer berechenbar gelten. Teuer würde die Operation für die beteiligten Länder außerdem. Allein die Stationierung der bisher 3.000 deutschen Soldaten auf dem Balkan kostet in diesem Jahr etwa 500 Millionen Mark.
Ungeachtet dessen ist nach Einschätzung zahlreicher Politiker eine internationale Verwaltung des Kosovo der einzig noch mögliche Ausweg aus der Krise und darüber hinaus der notwendige erste Schritt für eine Befriedung der unruhigen Gesamtregion. Daher kommt der Konferenz in Rambouillet eine Bedeutung zu, die über die Grenzen des Kosovo hinausreicht. Sollte sie scheitern, wären Luftschläge der Nato gegen Jugoslawien wahrscheinlich. Welches politische Ziel sie erreichen sollten und könnten, ist fraglich.
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