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Kati im Wunderland

Spätestens als Walter Ulbricht, DDR-Staatsratsvorsitzender, 1965 der Pflege des Breitensports in seinem Land eine Absage erteilte, war klar, welche Aufgabe dem Sport im Sozialismus zukam: „Zählen tut nur der Kreis, der zur Erreichung eines sportlichen Zieles regelmäßig trainiert.“ Damit hatte die zweite Phase der Entwicklung des DDR-Sports begonnen.

Ging es in den Anfangsjahren der DDR darum, über Leibesertüchtigungen die staatliche Anerkennung zu fördern, setzte man sich nun zur Aufgabe, über Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften die Überlegenheit des sozialistischen Systems zu demonstrieren. So wurde die DDR zum „Wunderland des Sports“, wie L'Equipe schon 1966 staunte.

Der Weg dahin war mühsam. Die Zusammenstellung gesamtdeutscher Olympiateams wurde – von beiden Seiten – mit allen Ingredienzen des Kalten Krieges betrieben, die Erfolge der jeweils eigenen Sportler bei den Spielen nach Kräften herausgestellt. Gleichzeitig gab es verbiesterte, heute grotesk anmutende Streitigkeiten um Hymnen, Fahnen und Symbole. Die DDR-Führung versuchte eigene Sportheroen – wie den Radsportler Täve Schur, den Skispringer Helmut Recknagel oder den Boxer Wolfgang Behrendt, der 1956 bei den Olympischen Spielen in Melbourne die erste „eigene“ Goldmedaille für die DDR gewann – als Gegenfiguren zu den professionalisierten Stars des Westens aufzubauen.

Die Konzentration aller Mittel auf wenige medaillenträchtige Sportarten, das immer perfektere Förderungssystem, schließlich die Entdeckung des Dopings, das im zentralisierten Sportsystem der sozialistischen Staaten besonders systematisch und effektiv betrieben werden konnte, brachten schließlich jenen Boom der siebziger und achtziger Jahre, in denen die DDR zur führenden Sportmacht heranwuchs. Marita Koch, Karin Enke, Kristin Otto, Marlies Göhr, Ulf Timmermannn, Roland Matthes und vor allem die Eiskunstläuferin Katarina Witt trugen den Ruhm des deutschen Sozialismus im Vierjahresrhythmus in alle Welt. In der Leichtathletik gelten noch fünf Weltrekorde Made in GDR.

Als Spielverderber erwies sich die Weltpolitik in Gestalt von Jimmy Carter und den sowjetischen Hardlinern. Die wechselseitigen Boykotte der Olympischen Spiele 1980 und 1984 raubten dem DDR-Sport ausgerechnet in seiner unwiderstehlichsten Phase die Bühne zur Demonstration seiner Superiorität.

Ein weiterer Wermutstropfen war die Erfolglosigkeit im Fußball, die auch durch den Olympiasieg 1976 nicht kompensiert werden konnte. Der größte Triumph des DDR-Fußballs wird für alle Zeiten der in einem unwichtigen Vorrundenspiel der WM 1974 bleiben: Eine bescheidene Bilanz für ein sportliches Wunderland. Matti Lieske

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