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Kunden im Rollstuhl

■ Sozialsenatorin Roth legt Bericht zur Situation Behinderter in Hamburg vor

Die Zeiten der „Bevormundung und Fremdbestimmung“ Behinderter seien vorbei, erklärte gestern Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) und legte zum Beweis den druckfrischen Bericht zur „Lebenssituation behinderter Menschen in Hamburg“ vor. Auf 265 Seiten räumt Roths Behörde mit dem Vorurteil auf, das Gros der geistig, seelisch oder körperlich Behinderten – laut Statistik des Versorgungsamts zehn Prozent der Bevölkerung der Hansestadt – würde immer noch in Massenwohnanlagen am Stadtrand untergebracht und mit seinen Bedürfnissen nicht ernst genommen.

Das Gegenteil, so die Senatorin, sei der Fall: Hätten 1980 lediglich 43 Menschen in individuell betreuten Wohngruppen gelebt, so sei ihre Zahl mittlerweile auf 1050 gestiegen. Auch die Arbeitssituation sei „verglichen mit dem Bundesdurchschnitt“ zufriedenstellend. So sind 26.000 der 30.000 behinderten möglichen Arbeitnehmer Hamburgs auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt; der Arbeitslosenanteil liegt damit bei 12,5 Prozent (bundesweit: 17 Prozent).

Dennoch seien Behinderte „immer noch stärker benachteiligt als andere Menschen“. Um das zu ändern, soll vor Jahresende ein „Aktionsprogramm für die Eingliederung Behinderter“ auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt greifen, an dem sich Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Wohlfahrtsverbände beteiligen sollen. Auch europäische Mittel sollen eingeworben werden.

Um behinderten Menschen mehr Freiheit bei der Wahl von pädagogischer Hilfe, teilstationärer oder ambulanter Pflege einzuräumen, gibt es für die Betroffenen seit Jahresanfang ein „persönliches Budget“, das individuell errechnet wird und mit dem jeder selbst bestimmen kann, wieviel Geld er für welche Leistungen bei welchem Träger ausgeben will. So können Menschen, die beispielsweise einen Rollstuhl brauchen, wählen, ob sie diesen kaufen oder leasen wollen. Auch ist es möglich, bei einem Anbieter Essen zu bestellen und von einem Konkurrenten die medizinische Pflege in Anspruch zu nehmen. Ziel sei, so Roth, daß Behinderte nicht länger als „Hilfeempfänger“, sondern „Kunden“ begriffen würden. Heike Haarhoff

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