Ökolumne: Neuer Strommarkt auch für Kleinkunden
■ Stromkonzerne werden auch ihre Durchleitungsgebühren senken müssen
Nach Jahrzehnten der wettbewerblichen Abschottung kommt Bewegung in die deutsche Stromwirtschaft. Die Meldungen sind ungewohnt für eine Branche, mit der man traditionell gesicherte Monopoleinnahmen, nicht aber dynamischen Wettbewerb verbindet: Neue Anbieter aus dem Ausland drängen auf den Markt; etablierte Unternehmen sehen sich gezwungen, um ihre alten Kunden neu zu werben.
Auslöser ist die Reform des Energiewirtschaftsrechts, die im April 1998 in Kraft getreten ist und den Anfang vom Ende der energiewirtschaftlichen Monopole eingeleitet hat. Das alte Energiewirtschaftsgesetz aus dem Jahr 1935 hatte zum Ziel, „die schädlichen Auswirkungen des Wettbewerbs zu verhindern“. Den Unternehmen der Energiewirtschaft war es dank einer Ausnahmeregelung im Kartellgesetz erlaubt, untereinander jeden Wettbewerb auszuschließen und so eine ganze Branche zu kartellieren.
Mit der Streichung der gesetzlichen Privilegierung ist zunächst die rechtliche Absicherung der Energiemonopole beseitigt, nicht aber die faktische Monopolstellung des eingesessenen Stromversorgers in seinem Gebiet. Weil jede Stromversorgung auf Leitungsnetze angewiesen ist und die Verlegung paralleler Leitungen zu bestehenden Versorgungsnetzen in den allermeisten Fällen nicht in Frage kommt, sind Wettbewerber auf die Mitbenutzung der Infrastruktur des eingesessenen Versorgers angewiesen. Daher ist ein etablierter Versorger und Netzbetreiber nach dem Kartellrecht grundsätzlich verpflichtet, den Strom von Wettbewerbern durch sein Netz bis zum Kunden durchzuleiten – selbstverständlich gegen ein angemessenes Entgelt für die Mitbenutzung seiner Infrastruktur.
Die Entstehung wettbewerblicher Marktstrukturen zum Vorteil aller Kunden wird in der Energiewirtschaft mit ihren jahrzehntelangen Monopoltraditionen und der starken Stellung des Netzinhabers in einer Region noch eine gewisse Zeit brauchen. Der Wandel hat jedoch begonnen. Etablierte Stromversorger sehen sich gezwungen, ihren Vertragskunden deutliche Preissenkungen zuzugestehen, wenn diese die Möglichkeit eines Wechsels des Versorgers ins Spiel bringen. Doch es bleibt nicht dabei, daß der etablierte Versorger zur Abwehr etwaiger Wettbewerber für wichtige Kunden die Preise senkt. Die Durchleitung von Strom – der wichtigste Hebel für die Schaffung wettbewerblicher Marktstrukturen – wird in nächster Zeit eine immer wichtigere Rolle spielen. So hat Anfang dieses Jahres das amerikanische Unternehmen Enron mit Unterstützung des Bundeskartellamts die Stromdurchleitung durch das Netz des westfälischen Regionalversorgers Elektromark zur Stadt Lüdenscheid erreicht.
Wer profitiert vom Wettbewerb? Zunächst sicher die Großkunden, die bei den Preisverhandlungen ihr Gewicht als Großabnehmer in die Waagschale werfen können. Die Vorteile des Wettbewerbs werden aber auch – mit einer gewissen Verzögerung – kleinere Abnehmer, selbst Haushaltskunden, erreichen. Manche befürchten, daß Stromunternehmen Preissenkungen für Industriekunden durch Tariferhöhungen bei Haushaltskunden ausgleichen werden. Diese Gefahr besteht wirklich. Hier sind die Energieaufsichtsbehörden, die auch nach der Strommarktliberalisierung für die Genehmigung der Stromtarife zuständig sind, aufgerufen, einer drohenden Quersubventionierung des Großkundengeschäfts durch Kleinverbraucher einen Riegel vorzuschieben.
Wichtiger als der aufsichtsrechtliche Riegel ist nach meiner Ansicht jedoch, daß nun auch die Stellung der Kleinverbraucher aufgewertet wird. Sie brauchen sich nicht länger als Leistungsempfänger zu fühlen, die von ihren Energieunternehmen „versorgt“ werden und ihnen ansonsten ausgeliefert sind. Auch sie können profitieren. Stadtwerke, die ihren Strom von Vorlieferanten zukaufen, könnten etwa die Rolle von starken Verhandlern im Interesse vieler kleiner Kunden übernehmen und günstige Einkaufspreise an ihre Endkunden weitergeben. In diese Richtung gehen auch die Aktivitäten der nun entstehenden „Aggregatoren“ – Unternehmen, die die Nachfrage zahlreicher kleinerer Stromabnehmer bündeln und dann den günstigsten Lieferanten für die aggregierte Strommenge suchen. Über kurz oder lang wird die Marktdynamik die Energieunternehmen zwingen, auch Kleinverbraucher als Kunden ernst zu nehmen. Dieter Wolf
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen