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Afro-Pop und Classic Jazz

■ Heute und morgen treten im KITO mit dem Marcus Roberts Trio und Sän-gerin Sally Nyolos Band aus Kamerun zwei außergewöhnliche Musiker auf

„Barmusik“, grummelte ein Kollege, nachdem er sich die jüngste Solo-CD des Pianisten Marcus Roberts angehört hatte. Ach ja, schön wäre es, in Bremen eine Bar zu kennen, in der allabendlich ein Pianist mit Roberts Qualitäten zu hören wäre.

Denn spätestens seit seinem fulminanten und von der Fachpresse hochgelobten '96er Album „Portraits in Blue“ gilt der 35jährige US-amerikanische Jazzer als technisch exzellenter Instrumentalist. Mehr noch: Seine auf dieser CD zu hörende Re-Interpretation von George Gershwin-Stücken gilt als Meilenstein einer vom einflußreichen Trompeter Wynton Marsalis mitinitiierten neuen musikalischen Bewegung, die sich seit langem gegen die im Jazz grassierende Fusions-Welle der 90er Jahre stemmt und sich statt dessen auf bedeutende „klassische“ Traditionen der Jazzgeschichte besinnt, die mit Namen wie Jelly Roll Morton, Thelonius Monk, Duke Ellington oder Charlie Parker verbunden ist.

Nicht von ungefähr holte sich Marsalis den jungen Roberts in seine Band, wo er über sechs Jahre an allen Einspielungen des Marsalis Quartetts beteiligt war. Daß Marcus Roberts „The Joy of Joplin“ im ersten Augenblick an Barmusik erinnert, liegt daran, daß er sich auf dieser CD mit Scott Joplin beschäftigt, dem 1917 verstorbenen Begründer des Ragtime.

Wie schon bei Gershwin nähert sich Roberts auch diesem legendären Pianisten auf der Basis einer exzellenten Technik und verknüpft diese virtuos adaptierten stilistischen Vorgaben souverän mit Einflüßen aus der Klassik oder den anderen zuvor erwähnten stilbildenden Jazzinstrumentalisten. Im KITO wird der blinde Pianist allerdings nicht als Solist zu sehen sein. Begleitet wird er von dem Bassisten Roland Guerin, der schon auf „Portraits in Blue“ zu hören war, sowie dem Drummer Jason Marsalis, dem jüngsten der Marsalis-Brüder.

Einen Tag vor dem Auftritt des Marcus Roberts Trio gastiert mit Sally Nyolo ebenfalls eine interessante Musikerin im KITO. Die in Frankreich lebende und im Süden Kameruns geborene Sängerin kommt mit zwei Backgroundsängerinnen und drei Instrumentalisten (Gitarre, Bass, Drums) nach Bremen.

International bekannt geworden ist Nyolo als Mitglied der von Marie Daulne gegründeten, fünfköpfigen afrobelgischen A-cappella-Formation „Zap Mama“. Nach der Trennung vor drei Jahren konnte Nyolo unter Beibehaltung der musikalischen Richtung eine erfolgreiche Solokarriere starten. Die heimatlichen Gesänge des Beti-Volkes in Kamerun bilden den Hintergrund für ihre von Perkussions-rhythmen und einfachen Gitarrenläufen strukturierten Stücke, über die mehrstimmige Gesangspartien gelagert sind. Vokalmusik, swingend im Takt von Reggae, Afro-Jazz und typisch afrikanischen Rhythmen, erwartet die KITO-BesucherInnen.

Zumindest in Sally Nyolos jüngster poppigen Studioproduktion „multiculti“ ist der Stilmix freilich für europäische Hörgewohnheiten geglättet worden und wirkt mitunter allzu leicht konsumierbar und simpel. Live dürfte sich das hoffentlich etwas verlieren.

Hört man der Musik nur zu, ohne gleichzeitig heftig mit den Hüften zu wackeln, verliert die Musik allerdings einiges von ihrem Reiz und wirkt schnell monoton. Was man dagegen tun kann, liegt auf der Hand: Stühle wegräumen und kräftig rumhüpfen! zott

Sally Nyolos fünfköpfige Band heute abend, um 20 Uhr, im KITO. Marcus Roberts ist ebendort morgen um 20 Uhr zu hören. Kartenreservierungen beim KITO unter Tel.: 65 48 48

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